Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft begeistert bei der Fußball-Europameisterschaft in England durch Top-Leistungen, lockt immer mehr Zuschauer vor den Fernseher. Der Halbfinal-Triumph gegen Frankreich mit einer überragenden Alexandra Popp bescherte dem ZDF eine Top-Quote: 12,19 Millionen Zuschauer waren bei der Liveübertragung dabei – ein Marktanteil von unfassbaren 47,2 Prozent. Und am Sonntag dürfte die Quote noch weiter in die Höhe schnellen, dann spielt Deutschland um 18 Uhr (ARD) im Wembley-Stadion vor 90 000 Zuschauern gegen Gastgeber England um den EM-Titel.
Johanna Burre, Hamelner Studentin der Fachhochschule (FH) Bielefeld, verfolgt mit großem Interesse die Partien, hat aber auch generell ein wissenschaftliches Interesse am Frauenfußball: Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit hat Johanna Burre mit qualitativen Methoden einen Blick hinter die Kulissen des Frauenfußballs geworfen und dabei auch die Arbeitsbedingungen von Profifußballerinnen untersucht.
Mit welchen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten müssen sich Mädchen und Frauen auf ihrem Weg zum Fußballprofi stellen? Und was genau unterscheidet sie im Vergleich zu Jungen und Männern? Diesen zentralen Fragen ging Burre in ihrer Abschlussarbeit im Studiengang „Soziale Arbeit“ am Fachbereich Sozialwesen nach. Seit 15 Jahren spielt sie selbst aktiv Vereinsfußball. Einige Kontakte zu Erst- und Zweitliga-Spielerinnen baute sie dabei auf. Seit einem Jahr ist sie in einer Nachwuchsakademie eines Bundesliga-Fußballvereins als Pädagogin in Vollzeit beschäftigt. Dieser stellt selbst mehrere Frauen- und Mädchenmannschaften, darunter auch eine Damenmannschaft in der 2. Frauen-Bundesliga.
Damit hat Burre Zugang zum täglichen Geschäft im Fußballberufssport von Männern und Frauen. Gepaart mit ihrer eigenen Spielzeit wurde somit das Interesse für das Thema ihrer Arbeit, Ungleichbehandlung von Frauen im Fußball-Leistungssport, geweckt.
Jungen und Männer verdienen als Profifußballer rund 50- bis 200-mal als Mädchen und Frauen
Jungen und Männer verdienen als Profifußballer im Durchschnitt rund 50- bis 200-mal mehr als Mädchen und Frauen. Ungerechtigkeiten und auch Diskriminierungen erleben Fußballerinnen auf den unterschiedlichsten Ebenen. Am deutlichsten wird dies auf den ersten Blick beim Einkommen: Mädchen beziehungsweise Frauen verdienen im Profi-Fußball deutlich weniger Geld als Männer, auch die Prämien sind signifikant kleiner. „Zwar sind exakte Gehälter von Fußballerinnen und Fußballern öffentlich nicht bekannt“, räumt Burre ein. „Jedoch gibt es im Internet diverse Schätzungen von Fachleuten zum Verdienst von Männern und Frauen, und diese liegen exorbitant weit auseinander. Der signifikante Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, auch als „Gender-Pay-Gap“ bezeichnet, ist im Fußball so groß wie in keinem anderen sportlichen und außersportlichen Bereich“, so die Absolventin.
Spielerinnen der deutschen Frauen-Bundesliga verdienen im Durchschnitt 39 000 Euro im Jahr
Spielerinnen der deutschen Frauen-Bundesliga verdienen im Durchschnitt 39 000 Euro im Jahr. Das entspricht 3250 Euro pro Monat. Währenddessen belaufen sich die Einnahmen eines Bundesligaspielers auf 47 500 Euro pro Spiel. Umgerechnet ist das ein Jahresgehalt von 1,9 Millionen Euro. Dabei müssen sich Spieler, die sich im Bereich von 1,9 Millionen befinden, eher noch zu den Geringverdienern zählen. Zusätzlich zu den Gehältern kommen bei vielen Fußballerinnen, genau wie bei ihren männlichen Kollegen, noch Einnahmen durch Prämien und Werbeverträgen, hinzu. Doch bei den Damen sind diese nur ein kleiner Zusatzverdienst, so die Recherchen von Burre.
Noch deutlicher wird der Gender-Pay-Gap beim Blick auf den ehemaligen Toptorjäger des FC Bayern München, Robert Lewandowski. In der vergangenen Saison 2021/2022 soll sein Jahresgehalt 19,5 Millionen Euro betragen haben. Sein weibliches Pendant, Sidney Lohmann, die ebenfalls beim FC Bayern München spielt, verdiente dagegen knapp 150 000 Euro pro Jahr. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Spielerinnen vom FC Bayern München und dem VfL Wolfsburg zu den besserverdienenden Spielerinnen in der Frauen-Bundesliga zählten, da ihnen ihre konstanten (internationalen) Erfolge ein höheres Gehalt sicherten.
USA, England, Brasilien zahlen gleiche Prämien
Burre betont: „Gehälter und Zusatzverdienste aus Prämien und Werbeeinnahmen sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen enorm individuell. Ein allgemeines Schema lässt sich nicht erstellen.“ Deutlich werde in sämtlichen Berichterstattungen und Artikeln nur, dass die Gehälter und Prämien für Frauen nicht annähernd an die der Männer heranreichten und so ein Indiz für mangelnde Gleichbehandlung seien. „Ein Hauptgrund für diese Einkommenslücke ist Diskriminierung“, vermutet Burre. Die unterschiedlichen Größen der Märkte von männlichen und weiblichen Profifußball allein sind aus ihrer Sicht keine hinreichende Erklärung. Ein Indiz für diese These sei die ungleiche Bezahlung von Nationalspielern und Nationalspielerinnen. Während die Verbände in den USA, England, Brasilien und Norwegen Männern und Frauen mittlerweile die gleichen Prämien zahlen würden, gebe es in Deutschland nach wie vor gewaltige Unterschiede. Deutlich und aktuell werde dies bei der jüngsten EM: Bei der EM 2021 hätte der DFB jedem deutschen Spieler eine Gewinn-Prämie von 400 000 Euro gezahlt. Dagegen werde jeder deutschen Spielerin beim Titelgewinn in diesem Jahr mit 60 000 Euro nur ein Sechstel der Männer-Prämie zugestanden. Johanna Burre stellt am Ende ihrer Arbeit fest: Ob es sich um biologische, soziokulturelle, familiäre, finanzielle oder grundlegende Ausgangslagen und Strukturen handele, sei zunächst zweitrangig, da in sämtlichen Belangen Mädchen und Frauen erschwerte Bedingungen hätten. Sie hebt jedoch hervor: „Die Situation der Frauen hat sich im Vergleich zu den Anfängen verbessert.“ Medial werde dem Frauenfußball mehr und mehr Präsenz eingeräumt. Und auch wenn die Gehälter und Prämien zwischen Frauen und Männern (noch) nicht gleich seien, seien sie gestiegen.
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