Am 30. April vor zwei Jahren wurde in Fischbeck der vermögende Rentner Walter Schütte kaltblütig ermordet. Der Täter hat den 71-Jährigen mit einem gezielten Kopfschuss hingerichtet.
Es ist der Vormittag des 30. April 2020. Ein Donnerstag. Die Walpurgisnacht steht bevor – und der Tanz in den Mai. In Fischbeck wartet der Rentner Walter Schütte auf Besuch. Eigentlich ist er um 9 Uhr mit seinem besten Kumpel verabredet. Doch diesen Termin hat er kurzfristig telefonisch abgesagt und auf 11 Uhr verschoben. „Es kommt jemand zu mir, der mir Autoteile verkaufen will“, sagt er zur Begründung. Der 71-Jährige hat ein Faible für Oldtimer – besonders VW Bulli und Unimogs haben es ihm angetan.
Schütte ist eigentlich immer auf der Suche nach Ersatzteilen. Das wissen viele. Der Senior ist aber auch dafür bekannt, dass er sämtliche Geschäfte in bar abwickelt und deshalb immer Geld im Haus hat. Walter Schütte besitzt mehrere Häuser. Sein Elternhaus hat er 2019 verkauft – für 180 000 Euro. Diese große Summe bewahrt er daheim auf. Möglicherweise ist ihm diese Tatsache zum Verhängnis geworden.
Walter Schütte wurde "förmlich hingerichtet"
Wenige Stunden nach dem Anruf bei seinem Freund ist Walter Schütte nicht mehr am Leben. Ein bis heute unbekannter Mörder hat ihn mit einem Kopfschuss „förmlich hingerichtet“, wie es Hauptsachbearbeiter Arthur Wiebe, Mitglied der Mordkommission „Keller“ formuliert. Tatort: ein Gästezimmer im Erdgeschoss eines Mehrparteienhauses an der Bahnhofstraße in Fischbeck. Dort hat Walter Schütte gewohnt. Der vermögende Rentner sei „kaltblütig ermordet“ worden, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar Markus Schwarz, der das für Mord- und Totschlag zuständige 1. Fachkommissariat des Zentralen Kriminaldienstes in Hameln leitet.
Eine Tötung im Affekt schließen die Ermittler aus. Die Spurenlage ist eindeutig. Die Polizei geht davon aus, dass Walter Schütte am 30. April „mit direkter Tötungsabsicht“ aufgesucht wurde. Der Täter sei zielstrebig, entschlossen und vor allem brutal vorgegangen, erklärt Hauptsachbearbeiter Arthur Wiebe. Dann schiebt er hinterher: „Wir gehen von einem Raubmord aus.“ Die Frage, die sich die Mordermittler seit zwei Jahren immer wieder stellen: „Kam der Mörder aus dem Haus – oder von außerhalb?“ Die Pistole, die der Täter benutzte, ist unauffindbar.
Überführen die Spuren den Mörder von Fischbeck?
Der Mörder hat Spuren hinterlassen – die Ermittler haben sogar einen Gegenstand entdeckt, der von ihm stammt. Aber reicht das aus, um den Tatverdächtigen zu überführen? „Auf diese Frage werden wir später eine Antwort finden“, sagt der Chef der Mordkommission, Markus Schwarz, denn: „Zunächst einmal müssen wir den Mörder haben.“ An dem Fall beißen sich Mordermittler die Zähne aus.
Es gibt viele Spuren, auch Verdachtsmomente, die sich gegen eine ganz bestimmte Person richten, doch den Durchbruch konnten der Erste Kriminalhauptkommissar Markus Schwarz und sein Team noch nicht erzielen. Doch die Mordfahnder geben nicht auf. „So lange ich Leiter der 1. Fachkommissariats bin, werden wir nichts unversucht lassen, den Fall zu lösen“, sagt der Chefermittler mit entschlossener Stimme. Dieses Verbrechen beschäftige die Mordkommission nach wie vor jeden Tag. „Das wird auch noch in einer Woche, in einem Monat, in einem Jahr und weit darüber hinaus so sein.“
Ein Tatverdächtiger ist ganz besonders „durchleuchtet“ worden. Das Verfahren wurde eingestellt. Es war nicht nachweisbar, dass der Mann etwas mit dem Verbrechen zu tun hat. Die Person sei seinerzeit ins Visier der Fahnder geraten, weil sie eine frische Verletzung im Gesicht hatte, hieß es. „Der Anfangsverdacht ließ sich nicht erhärten“, sagt der Erste Staatsanwalt Oliver Eisenhauer.
"Dieser Fall wird niemals endgültig zu den Akten gelegt"
Die Mordkommission will nicht eher ruhen, bis sie den Fall aufgeklärt hat. „Nach wie vor tauschen wir uns regelmäßig mit der ermittelnden Oberstaatsanwältin aus und besprechen gemeinsam mögliche weitere Schritte“, sagt Moko-Chef Markus Schwarz. Dann sagt der Erste Kriminalhauptkommissar etwas, das nur ganz selten ausgesprochen wird: „Dieser Fall wird in Hameln niemals endgültig zu den Akten gelegt. Das kann ich versprechen.“
Wann immer sie Zeit hat, brütet in Hannover Oberstaatsanwältin Friederike Riemer, Chefin der Sonderabteilung zur Bekämpfung von Kapitaldelikten bei der Staatsanwaltschaft Hannover, über den Akten aus Hameln. Stets geht es darum, einen neuen Ansatz zu finden. „Vielleicht haben wir ja in der hektischen Anfangsphase etwas übersehen“, sagt Markus Schwarz. „Womöglich gibt es ein Detail, das wir ganz neu bewerten müssen.“
Vieles deutet darauf hin, dass der Mörder aus Habgier geschossen hat. Vermutlich hat er nicht das erreicht, was er vorhatte: Der Wandtresor, der sich versteckt hinter einer Dartscheibe befand, wurde zwar entdeckt, aber nicht geöffnet. Darin lagen 130 000 Euro. Hat sich Walter Schütte geweigert, den Panzerschrank zu öffnen? Wurde er deshalb erschossen? Möglich, dass der Mörder versucht hat, den Safe zu öffnen, denn: Vor dem Wandtresor lagen zahlreiche Schlüssel, die aber nicht zu dem Geldschrank passten.
Wieso wurde der Laptop gestohlen?
Es fehlen 50 000 Euro. Noch ist unbekannt, ob der Pistolen-Schütze das Geld erbeutet hat. Möglich ist auch, dass Walter Schütte das Geld selbst ausgegeben hat. Sicher ist aber: Der Mörder ist nicht ohne Beute geflüchtet. Er hat eine Börse, eine Geldtasche mit Bargeldvorrat und einen Laptop mitgenommen.
Nach Angaben von Mordermittler Arthur Wiebe handelt es sich bei dem Gerät um ein Acer Aspire E5-773G-37H6 (ohne Netzteil) mit der Individualnummer W10 HML64 A6TDE1 N1. Die Kriminalisten fragen sich: Hat es der Täter mitgenommen, weil sich darauf Dateien befinden, die auf ihn hinweisen? Oder hat er den Computer gestohlen, um ihn zu Geld zu machen?
Die Mordermittler wissen es nicht, aber sie haben eine Ahnung. „Es reicht allerdings nicht, dass wir zu wissen glauben, wer Walter Schütte hingerichtet hat“, sagt Markus Schwarz. „Wir müssen den Fall wasserdicht machen und dem Verdächtigen die Tat lückenlos nachweisen. Beweise und Indizien müssen gerichtsfest sein. So lange nicht alle Teile zu einem Puzzle zusammengelegt werden können, werden wir keine Person festnehmen. Das wäre verfrüht.“
Die Leiche des Seniors ist erst am Nachmittag des 1. Mai entdeckt worden – von der damals 70 Jahre alten Lebensgefährtin, die einen Schlüssel zur Wohnung besaß, und von einem Kumpel (67) des Mannes, der die Frau begleitet hatte.
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