Der Bauboom in Deutschland geht an vielen Normalverdienern vorbei: Besonders in den Großstädten müssen Immobilienkäufer ihre Schmerzgrenze immer höher ansetzen, um noch Wohnungen zu finden. Doch wie sieht es im Weserbergland aus? Eine Bestandaufnahme.
Was liegt näher, als sein sauer verdientes Kapital in Betongold umzuwandeln, ein Mehrfamilienhaus zu erwerben oder anstelle von Miete künftig sein eigenes Haus abzubezahlen? Denn auch die Hypothekenzinsen, also das Geld, das Bauherrn aufnehmen müssen, um den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen, ist mit einem auf 15 Jahre festgelegten Zinssatz seit mehr als zwei Jahren so billig zu haben, wie noch nie in der Geschichte Deutschlands.
Das Problem: Um zu bauen, bedarf es eines eigenen Grundstücks – und die sind auch im Weserbergland Mangelware. Kaum ist ein Baugebiet ausgewiesen, sind die Grundstücke auch schon verkauft. Letztes Beispiel dafür: ein Baugebiet in Hemeringen neben der dortigen Grundschule, von denen noch zwei zu haben sind. Das Schöne an den Grundstücken in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg: Nach Auskunft mehrerer Banken, Bauträger und auch des Gutachterausschusses des Katasteramts gibt es für Bauland schon seit zehn Jahren kaum Preissteigerungen und selbst die Baukosten seien in den vergangenen fünf Jahren kaum gestiegen, bestätigen unisono die Finanzierungsspezialisten in den beiden Landkreisen.
Ganz anders dagegen die Lage auf dem Markt der sogenannten Bestandsbauten. „Hier hat sich der Markt in den vergangenen zwei Jahren richtig gedreht“, bestätigen der Hamelner Makler Ingo Heusing und auch sein Kollege Manuel Maciewski aus Bodenwerder. „Das Geschäft mit Immobilien hat sich wieder deutlich verbessert“, erklärt der Geschäftsführer von MM Immobilien in der Münchhausenstadt. „Auch in Bodenwerder sind Immobilien wieder nachgefragt.“ Insgesamt stagnierten die Preise zwar, beim klassischen Einfamilienhaus seien die Preise aber steigend. Und auch Mehrfamilienhäuser hätten in der Vergangenheit ohne großen Zeitaufwand wieder den Besitzer gewechselt.
Spricht Maciewski in Bodenwerder noch von stagnierenden Preisen, vermeldet Heusing für den Hamelner Raum „rasant steigende“ Kosten für den Kauf von Renditeobjekten. Die Mehrfamilienhäuser, die er in den vergangenen zwei Jahren an den Mann gebracht habe, hätten alle mehr als erwartet gebracht. Woher die Käufer gekommen seien? „Zum Beispiel aus Hildesheim und Hannover“, berichtet Heusing. „In der Landeshauptstadt sind solche Objekte ja gar nicht mehr zu bezahlen.“ Andererseits stellt Heusing fest, „dass es auf dem Markt kaum noch Angebote gibt, denn niemand will heute verkaufen, weil Geld allein heute keine Rendite mehr bringt“. Eine für die Verkäufer positive Marktbewegung sieht der Immobilienmakler aber nur für die Mittelzentren. „Auf dem Land wird es wegen der Bewegung in die Städte immer billiger“, betont Heusing. Da sei das Angebot riesengroß und die Preise in Coppenbrügge, Bisperode oder auf der Ottensteiner Hochebene fielen immer weiter. „Da wird es richtig gruselig“, sagt Heusing, „da fasse ich kein Objekt mehr an.“ Ein anderer Makler, der seinen Namen nicht in der Zeitung haben will, schildert einen Fall aus Grohnde, wo ein gut erhaltenes Wohnhaus mit gut 150 Quadratmetern Wohnfläche nach langer Suche einen Käufer für 30 000 Euro gefunden habe. „100 000 Euro hatten sich die Besitzer vorgestellt; das war überhaupt nicht zu realisieren.“
Im Gegensatz zu Heusing sieht Achim Lüders, der Leiter der Immobilienabteilung der Sparkasse Schaumburg auch in den ländlichen Gebieten des Landkreises keinen generellen Preisverfall. Die Preise für Grundstücke seien stabil, es werde auch in vielen kleineren Gemeinden gebaut, sofern Grundstücke vorhanden seien. Auch werde das klassische Ein- bis Zweifamilienhaus gut nachgefragt. „Der Markt“, betont Lüders, „hat sich in allen Bereichen gut entwickelt.“ Gute Objekte gingen derzeit bei leichtem Preisanstieg schnell weg. Anders sei das in den Orten Rinteln, Bückeburg, Stadthagen und Bad Nenndorf. Dort sei die Preissteigerung wegen der hohen Nachfrage deutlich höher.
Dass die Preise in den vergangenen Jahren im Immobilienbereich angezogen haben, bestätigen auch die vom Gutachterausschuss der Katasteramtes erhobenen Daten. Doch lassen sie keine Rückschlüsse auf die Unterschiede zwischen dem ländlichen Raum und den Mittelzentren zu, denn der Gutachterausschuss erfasst alle Verträge und errechnet daraus den jeweiligen Jahresdurchschnitt. Ist für den ländlichen Raum von fallenden oder allenfalls stagnierenden Preisen für Häuser auszugehen, muss bei einer durchschnittlichen Preissteigerung von 7,5 bis 7,75 Prozent für Reihen- und Doppelhäuser sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser im Jahr 2015 die Preissteigerung in den Mittelzentren deutlich höher gewesen sein. So leergefegt, wie der Markt für Mittelstandsobjekte nach Darstellung einiger Immobilienabteilungen der Banken sein soll, kann er nach den Zahlen des Gutachterausschusses wiederum nicht sein: Im Jahr 2015 wechselten 13,1 Prozent mehr Ein- und Zweifamilienhäuser als im Jahr zuvor den Besitzer. 2014 hatte diese Zahl nur um fünf Prozent zugenommen. Bei Reihenhäusern und Doppelhaushälften ging die Zahl der Verkäufe 2015 dagegen um 2,4 Prozent zurück, hatte aber 2014 noch um 9,5 Prozent zugenommen.
So wie die Volksbank Hameln-Stadthagen schon vor mehreren Wochen berichtet hatte, Objekte gingen blitzschnell weg, spricht auch Daniel Knuhr der Leiter des Immobilienservice der Sparkasse Hameln-Weserbergland, von einem leergefegten Markt. „Die Käufer suchen dringen nach Objekten“, schildert Knuhr die Marktlage. Gefragt seien dabei vor allem zentrumsnahe Objekte. „Alles, was außerhalb liegt, ist von der Nachfrage her eher als gedämpft zu betrachten“, bewertet der Immobilienfachmann die Situation.
Die Suche nach einem bezahlbaren Objekt
Im Bereich von mittelpreisigen Angeboten zwischen 100 000 Euro und 250 000 Euro sei in Hameln praktisch nichts auf dem Markt. Wer dagegen 350 000 Euro oder mehr anlegen wolle, finde sehr schöne Objekte, weiß Knuhr aus dem Angebotsbestand zu berichten. Es ist die Preiskategorie, mit der es in Hannover und Umgebung mit kleineren Einfamilienhäusern überhaupt erst beginnt. Der CDU-Landtagsabgeordnete Otto Deppmeyer aus Hemeringen sieht deshalb auch bereits wieder eine verstärkte Nachfrage Ortsfremder in seinem Heimatort nach baureifen Grundstücken. In dem Hessisch Oldendorfer Ortsteil wird deshalb jetzt auch erwogen, ein neues Baugebiet auszuweisen, um dort neue Familien anzusiedeln und damit die Zukunft des Ortes zu stärken.
Die Politik in den Ortschaften, auf die Füllung von Baulücken zu setzen, die vielfach beispielsweise in den Leerstandskatastern der Stadt Hameln auftauchen, scheint nicht zu fruchten. Meist wollen die Eigentümer baureife Grundstücke aus den unterschiedlichsten Gründen nicht verkaufen. In den Hamelner Sünteldörfern etwa wurden 38 Baulücken gezählt, aber nur in vier Fällen äußerten die Eigentümer in Gesprächen mit der Stadt ein verhaltenes Interesse, sie auch zu veräußern. Und auf dem städtischen Baugebiet am Hottenbergsfeld gibt es zwar noch Baugrundstücke, aber sie liegen in dem relativ steilen Bereich des Quartiers und lassen daher die zu erwartenden Baukosten erheblich steigen. Wer heute also ein eigenes Häuschen setzen will, muss sich fast zwangsläufig unter den Bestandsimmobilien umschauen. Die Aussichten für eine erfolgreiche Suche nach einem bezahlbaren Objekt sind derzeit allerdings nicht besonders gut.