Wie der Schaumburger DJ Timo Maas mit der Beatles-Legende kollaborierte
Damals verpasst? DJ Timo Maas remixt Song von Paul McCartney
Der Schaumburger DJ und Musiker Timo Maas hat einen Song remixt. Das wäre nun wahrlich keine große Nachricht, aber zum einen ist es ein Song von Ex-Beatle Paul McCartney, und zum anderen hat es sieben Jahre gedauert, bis das Werk beendet war. Und ein Remix war es am Ende auch nicht mehr.
Der Schaumburger DJ und Musiker Timo Maas hat einen Song remixt. Das wäre nun wahrlich keine große Nachricht, aber zum einen ist es ein Song von Ex-Beatle Paul McCartney, und zum anderen hat es sieben Jahre gedauert, bis das Werk beendet war. Und ein Remix war es am Ende auch nicht mehr.
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RINTELN. Eine erste Ahnung, was ihn erwarten könnte, hat Timo Maas hoch über den Wolken, auf dem Rückflug von Brasilien. Von seinem Laptop schickt er sein neustes Werk an seinen Agenten, verbunden mit einer kleinen Entschuldigung, weil die Arbeit doch ein bisschen länger gedauert hat, und er erhält umgehend einen Rückruf: „Was zum Teufel ist das denn?“
Monate später ist es die neue Single von Paul McCartney, Timo Maas und James Teej, und sie heißt: Nineteen Hundred And Eighty Five.
Gut möglich, dass der eine oder andere Leser jetzt denkt: Das Lied kenn’ ich doch. Damit schwingt das beste aller „Wings“-Alben aus; damit endet „Band on the Run“; das dritte Album nach der Trennung der Beatles; das Werk, mit dem McCartney gleichermaßen Kunden und Kritiker begeisterte; das Album, das zu den 500 besten Platten aller Zeiten gehört.
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Paul McCartney. Foto: dpa
Foto: DIALOG
Es ist ein Song, den Maas abliefert, der einen etwas längeren Anlauf hatte. 2009 saß der Schaumburger bei seinem Agenten in dessen Haus in Ibiza, als der ihm das Original vorspielte, verbunden mit der Bemerkung, damit habe McCartney schon 1973 den House-Sound die achtziger Jahre vorweggenommen, „oder was meinst Du, Timo?“
Mehr aus Jux fragte Maas zurück, ob sein Agent ihm die Originalspuren besorgen könnte, weil er das eben immer fragt, wenn ihm etwas gefällt, was von anderen Künstlern stammt. Und siehe da, der Agent konnte die Aufnahmen besorgen, und Maas fing mit der Arbeit an: Wie könnte ein Lied von 1973 heute klingen?
Das Ergebnis befand Maas für nicht befriedigend und vergaß die Versuche und auch das Lied, bis vor einem Jahr und genau zwei Wochen sein Freund, der Musiker und DJ James Teej, auf Europatournee war und nachfragte, ob er nicht zwischen ein, zwei Konzerten in den Niederlanden bei ihm in Rinteln wohnen und übernachten konnte. Klar, kein Ding, meinte Maas, und natürlich haben die beiden an diesen Tagen auch an gemeinsamen Stücken gearbeitet, heute benötigt ein Musiker nicht mehr als eine gute Idee, einen Laptop und ein bisschen Software, und schon kann’s losgehen, an jedem Platz auf dieser Welt.
In einer Schaffenspause ist Teej auf den Balkon gegangen, eine rauchen, und Maas hat auf seinem Laptop seine sechs Jahre alte Version des McCartney-Songs gefunden. Er hat sie aufgerufen, und dann wehte der Frühlingswind die ersten Takte auf den Balkon, direkt in die Ohren von James Teej. „Ich habe eine Stimme gehört“, sagt der Kanadier sieben Jahre später, „laut und klar und isoliert. Und sie klang nach Paul McCartney.“ Teej rennt zurück in die Wohnung, was bitte war das gerade?, und Maas erzählt, wie er an die Bänder kam und er bei der Bearbeitung des Liedes an einen Punkt kam, wo es für ihn nicht mehr weiterging. Beide haben dann beschlossen, sich das Ding, dieses Lied, mal gemeinsam anzuschauen, vielleicht kommt man ja zu zweit weiter, auch wenn sie keinen Auftrag vorweisen konnten, nur so, aus Spaß.
Später wird Teej erzählen, dass diese Woche im Haus von Timo Maas die schönste und erstaunlichste in seinem gesamten Leben gewesen ist. Diese Tage, als sie ein klassisches Lied in eine moderne Version überführen wollten. Denn eine Neuinterpretation ist immer beides, Risiko und Herausforderung, vor allem, wenn das Werk von einer ikonischen Figur der Musikgeschichte stammt, „vom größten lebenden Künstler“, wie Maas es formuliert.
Den Fokus legten Maas und Teej bei ihrer Version auf die Stimme von Sir Paul, und nachdem sie die Instrumente und vor allem das Original dominierende Klavier beiseitegeräumt hatten, verzerrten sie die Gitarren. Ihre Version gibt der Stimme so viel Raum, wie sie braucht, um wirklich zu wirken, aber beide rocken mit einer Killerbasslinie gleichzeitig alles weg.
Es ist eine hübsche Geschichte, und Maas und Teej werden sie fraglos noch ihren Enkeln erzählen, aber der Punkt ist dieser: Es ist nicht einfach der nächste Remix, den Maas und Teej auf den Markt werfen. Vor allem Maas hat ja erstaunlich viel Erfahrung sammeln können, er hat Madonna remixt, Moby, Herbert Grönemeyer, Placebo und Peter Foxx, um ein paar zu nennen, aber die McCartney-Version ist etwas völlig anderes, sie geht in eine andere, in eine neue Richtung. Sie klingt, als hätten sich Aphex Twin und James Murphy zufällig in der Bar getroffen und beschlossen, gemeinsam einen draufzumachen und dann noch ins Studio zu gehen. Aphex Twin steuert dann dort, kurz vor der Dämmerung, den Part bei, bei dem man sich als Hörer die Pulsadern öffnen möchte, während der ehemalige Kopf des LCD Soundsystems mit der mächtigen Basslinie gegensteuert: Ach komm, nicht so schlimm, wir werden alle mal sterben, aber bis dahin feiern wir. Doch, genauso hört sich das an.
Und es klinge eben nicht wie der nächste Song, der in diesem Sommer in einer Endlos-Schleife aus dem Radio dröhne, war sich Maas damals eigentlich recht sicher. Aber er wusste, was das Lied war: „Mein Herzblutding.“
Doch es könnte anders kommen. Denn nachdem er seinem Agenten das Lied geschickte hatte, wurde es Virgin Records angeboten, und auch hier erfolgte der Rückruf der Plattenfirma schon nach Minuten: eines der besten Stücke, die Maas jemals gebastelt hatte. In zwei Worten: Her damit! Weil der Agent von Maas den Agenten der Ex-Beatles-Legende kennt, wurde Kontakt aufgenommen: Ob Sir Paul sich das wohl mal anhören könnte? Er konnte, und nach vier Tagen gab er grünes Licht: Von mir aus könnt Ihr das veröffentlichen, ließ McCartney ausrichten, meinen Segen habt Ihr.
Es folgen Verträge und Rechtekauf und -verkauf, und es folgt die Werbung durch den Feldeinsatz. Denn es wurden nicht etwa Anzeigen in Fachzeitschriften geschaltet, nein, die Verantwortlichen haben einen genialen Einfall, entscheiden sich für Guerilla-Marketing. Es werden zwei limitierte Singles gepresst, also Vinyl, und es gab sie nur an einem Tag in zwei Geschäften zu kaufen: Eins in Deutschland, das andere in England. Und es war ein sogenannter Weißdruck, mit absolut keiner einzigen Information, kein Name, nichts, nada, nur das Bild von Paul McCartney fand sich auf der Single, schließlich ist ja nicht zu leugnen, das hier „Macca“ singt.
Es war ein Test, und er ließ Firma und Künstler mit offenen Mündern zurück: Die Platten waren über Stunden ausverkauft, eine Woche später kosteten sie im Internet schon 280 Pfund. Und noch immer rätselte die elektronische Szene: Wer hat's gemacht? In den einschlägigen Internet-Foren wurde schnell auf Kanye West getippt, den amerikanischen Superstar, schließlich hat er erst kürzlich mit dem Wings-Chef zusammengearbeitet. Paul McCartney schickte anschließend in seinen sozialen Netzwerken noch einen Hinweis auf die neue Version durch das Netz.
Maas und Teej ließen das Rätsel auflösen, und sie taten es mit viel Stil: Sie gaben dem amerikanischen Magazin Billboard ein Interview, also dem bedeutendsten Fach- und Branchenblatt für Musik und Entertainment in den USA, das bereits 1894 gegründet wurde. Auch die alte Tante NME in England und der deutsche Rolling Stone wurden informiert.
Am 13. Mai wird das Stück veröffentlicht, sagt Timo Maas auf der Terrasse seines Hauses in Rinteln, und er setzt keine Erwartungen in diesen Titel, dafür ist er viel zu lange im Musikgeschäft, aber jede Menge Hoffnungen, es könnte der größte Hit in seiner Karriere werden. Die Zeichen gehen in die richtige Richtung, sagt Maas, der beim Deuten dieser Zeichen jahrzehntelange Erfahrung sammeln konnte. Zwei Dinge zählen, sagt Maas: Reputation und Relevanz. Über Ersteres verfügt er zur Genüge, aber es ist die Relevanz, die im Tagesgeschäft heute zählt und am Ende die Rechnungen bezahlt.
Wenn sich Maas seine Karriere angucken würde, dann könnte er eine Sinuskurve sehen: Mal oben, mal weiter unten, mal auf dem Olymp, wie 2001, als seine erste Platte „Loud“ abhob wie eine Nasa-Rakete auf Cap Canaveral, dann wieder auf dem Boden der Tatsachen und enttäuschten Hoffnungen, denn die beiden Nachfolgealben verkauften sich deutlich schlechter. Maas ist nicht unzufrieden, schließlich kann er sein Geld verdienen mit der Musik, die er liebt, und er ist sich über die Jahre treu geblieben, hat sich seine eigenen Freiräume geschaffen und immer an sein Talent geglaubt: „Und ich wollte immer was Eigenes bringen, ich muss mich bewegen.“ Und weil die Eingriffe in das Original so gravierend sind, zählt die Version von Maas und Teej auch nicht als Remix, sondern ist ganz offiziell eine Single der drei Künstler. Der nette Nebeneffekt: Von einer Single könnte es Remixes geben, während Remixe von einem Remix nun nicht mehr so cool sind.
Wenn Journalisten mit Künstlern oder Sportlern sprechen, dann ist das niemals ein Gespräch auf Augenhöhe; wer das annimmt, der irrt: Einer erzählt (hoffentlich), der andere hört zu. Aber gibt es an diesem Nachmittag auf der Rintelner Terrasse einen Moment, in dem sie beides nicht mehr sind, nicht mehr Journalist und nicht mehr Künstler, sondern nur noch: Fans. Wir unterhalten uns über David Bowie und wie sehr er uns schon jetzt an allen musikalischen Ecken und Enden fehlt, und sprechen über die noch lebenden und wirklich großen Künstler. Wir beide kommen auf drei, mehr sind es nicht: McCartney, klar, dazu noch Stevie Wonder und natürlich Prince. Timo Maas würde gerne mal mit ihm arbeiten, sagt er.
Das Gespräch endet dann recht bald, es ist alles gesagt.
Eine Stunde später verkünden die Medien, dass Prince Rogers Nelson gestorben ist.