1. Der Füllhorn-Ausschütter: Man hatte ihn schon fast vergessen, aber wenn es etwas zu verteilen gibt, ist er plötzlich zur Stelle – der Bundes- oder Landtagsabgeordnete der Region. Als Vertreter der jeweiligen Regierungspartei übernimmt er gerne die Aufgabe, es zu verkünden, wenn für Straßenbau- oder Sozialprojekte Geld in den Heimatwahlkreis fließt. Er weiß: Das kommt gut an – selbst dann, wenn er selbst keinen Cent dazubezahlt.
2. Der Polizeideutsch-Schreiber: Es ist ein dringender Verdacht – wer bei deutschen Sicherheitsbehörden anfängt, wird erst einmal zum Polizeideutschkurs geschickt. Dort lernen die Beamten, von „abgestellten Personenkraftwagen“ statt „geparkten Autos“ zu schreiben. Wenn Beobachter weiterhelfen, ist dies so zu beschreiben: „Auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung konnten Zeugen und erste konkrete Hinweise auf bestimmte Tatverdächtige erlangt werden.“ Flieht ein Unfallfahrer, „verschwand der Beteiligte, ohne seinen Pflichten nachzukommen“. Hilfreich, wenn „das Fahrzeug im Rahmen der Fahndung unfallbeschädigt aufgefunden werden konnte“. Die Polizeisprecher wollen neutral und juristisch korrekt sein – das Stilbuch aus ganz, ganz alten Amtsstuben bietet da offensichtlich die gewünschte Sicherheit.
3. Der Statistik-Fetischist: Seit Jahrzehnten berichten die Arbeitsbehörden allmonatlich über den Stand der Erwerbslosigkeit, zusätzlich gibt es Jahresauswertungen und den Blick auf allerlei Teilaspekte. Der Monatsreport allein für den Agenturbezirk Hameln, der von Holzminden nach Stadthagen reicht, umfasst rund 35 Seiten; er erscheint parallel zu den Darstellungen für Niedersachsen und die ganze Bundesrepublik. Auch die vielen Wirtschaftsinstitute werfen in kurzer Folge Zahlenwerke auf den Informationsmarkt – und lassen die Journalisten 1 und 1 zusammenzählen. Dabei sind die doch Schreiberlinge geworden, weil sie mit Mathe nichts am Hut haben (wollen).
4. Der Abkürzungsfimmler: Die DLR informiert über den Betrieb von Kleinsatellitennetzwerken im Low Earth Orbit (LEO) und das Future Launchers Preparatory Programme (FLPP) der ESA. Wer hier nur Weltraumbahnhof versteht, sollte sich nicht entmutigen lassen. Oft verbergen sich in solchen PM Top-Themen für die Fowi. Die Pressemitteilung könnte also für die Seite „Forschung & Wissenschaft“ geeignet sein.
5. Der Gender-Korrekte: Nicht nur die/der Gleichstellungsbeauftragte, sondern die MitarbeiterInnen sozialer Institutionen ganz allgemein legen Wert darauf, dass sich die Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Sprache widerspiegelt. Das wird besonders auch in den Schulen und Hochschulen gelehrt. So stehen Schülerinnen, Abiturientinnen, Studentinnen und Lehrerinnen nicht länger abseits, wenn etwas mitzuteilen ist. Weil die meisten Redakteure*innen irgendwie noch nicht soweit sind, übernehmen sie die weiblichen Formen nur, wenn das Geschlecht im jeweiligen Fall wirklich eine Rolle spielt.
6. Der Sichselbstgenügende: Es gibt Institutionen, meist staatlich gefördert, deren Auftrag zwar die Vergrößerung von Wohl und Bildung des Menschen ist, die aber keinen Ansturm heraufbeschwören möchten. Deshalb kündigen sie Veranstaltungen so an, dass nur ernsthafteste Interessenten sich durchbeißen und zusagen. Etwa beim „ganztägigen Workshop zum Thema ,Change-Prozesse begleiten und umsetzen‘“, während dem die „Referentin und Business Coach den Teilnehmenden einen Wechsel aus Best-Practice-Beispielen, Arbeitsgruppen und Diskussionen“ bietet.
7. Der Schleichwerber: Frühjahrsmüdigkeit – das hilft wirklich!“ Die Krankenkasse verbreitet dazu aufweckende Forschungsergebnisse und lässt einen örtlichen Mitarbeiter zu Wort kommen. Exakt den gleichen Satz sprechen seine Kollegen in den anderen Städten mit Filialen der Versicherung. Zwar bedienen sich Lokalreporter gerne örtlichen Sachverstands, doch sie bemühen sich um Ausgewogenheit, befragen neben den Krankenkassen auch Ärzte und Apotheker, neben der Sparkasse auch die Volksbank, neben der Taxizentrale auch den Mietwagenbetreiber. Besonders geschickte Werbeagenturen unterlassen im Text den Hinweis auf ihren Auftraggeber – und hoffen darauf, dass das mitgelieferte hübsche Foto mit der Produktabbildung und dem Urhebervermerk dem Kunden den Weg weist.
8. Der Superstar-Ankündiger: „Großartig“, „legendär“, „faszinierend“, „begeisternd“, „ein Live-Spektakel“ „für alle Altersgruppen“, „das Geschichte schreibt“ – vielen Kulturveranstaltern ist kein Superlativ zu klein für den bevorstehenden Auftritt. Sie hoffen auf eine großflächige Event-Ankündigung im redaktionellen Teil. Die Zeitung balanciert hier zwischen dem Anspruch des Lesers, über Bühnenereignisse vorab informiert zu werden, sowie den wirtschaftlichen Interessen des Veranstalters und auch des Mediums mit seinem Anzeigenteil. Ein wahres Kunststück!
9. Der Licht-unter-den-Scheffel-Steller: Während die Kulturbranche oft überlaut trommelt, kommen aus der heimischen Wirtschaft mitunter nur zaghafte Stimmen. Dabei werden hier durchaus wichtige Produkte für den europäischen oder sogar globalen Markt hergestellt. Die Presse wird dann zwar über die Anwerbung eines neuen Managers informiert, erfährt aber erst auf Nachfrage, welche Erzeugnisse denn so gut laufen.
10. Der Presseprofi: Er war selbst Journalist, kennt sich also im Kopf des Gegenübers bestens aus. Deshalb formuliert er spannend, kompakt, stilsicher und vollständig. Der Redakteur kann gar nicht anders, als den Text mit allenfalls kleinen Eingriffen zu übernehmen. Unangenehme Botschaften sendet der Presseprofi knapp vor Redaktionsschluss, damit keine Zeit für kritisches Nachhaken bleibt.