Nach diesem Auto ist die ganze Welt verrückt“, erklärt Traugott Grundmann, als er im April 2009 einen optisch nicht gerade ansehnlichen VW 38 vorstellt, der auf einem Laster aus Vilnius eingetroffen war. Und der Hessisch Oldendorfer verkündet stolz: „Das ist der originalste alte Käfer der Welt.“ Wenige Monate zuvor hatte der Präsident des VW Clubs Litauen den Wagen in der Nähe von Königsberg ausfindig gemacht. Er veröffentlicht den Fund über das Internet – und sofort beginnt das Werben um jenen von Porsche von Hand gefertigten Prototypen für VW, der einst an Nazi-Führer Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront, ausgeliefert wurde.
Nach diesem Auto ist die ganze Welt verrückt“, erklärt Traugott Grundmann, als er im April 2009 einen optisch nicht gerade ansehnlichen VW 38 vorstellt, der auf einem Laster aus Vilnius eingetroffen war. Und der Hessisch Oldendorfer verkündet stolz: „Das ist der originalste alte Käfer der Welt.“ Wenige Monate zuvor hatte der Präsident des VW Clubs Litauen den Wagen in der Nähe von Königsberg ausfindig gemacht. Er veröffentlicht den Fund über das Internet – und sofort beginnt das Werben um jenen von Porsche von Hand gefertigten Prototypen für VW, der einst an Nazi-Führer Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront, ausgeliefert wurde.
Grundmanns Sohn Christian, wie sein Vater vom VW-Veteranen-Virus infiziert, fackelt nicht lange, fliegt nach Litauen, begutachtet den Wagen und erhält den Zuschlag, weil er zusichert, ihn komplett in den Originalzustand zurückversetzen zu können. Autosammlerkreise haben ihre eigene Handelswährung: Im Tausch gegen einen vom Grundmann-Team komplett restaurierten, fahrbereiten VW Käfer Baujahr 1943 geht der VW 38 sowie ein ebenfalls unrestaurierter VW Typ 92 aus dem Jahre 1943 in den Besitz der Familie Grundmann über. „Noch ist dieser sogenannte Porsche-Käfer ein Haufen Schrott“, sagt Traugott Grundmann damals, „aber warten Sie ab, in zwei Jahren wird er komplett restauriert und wieder fahrbereit sein.“ Eine Herausforderung für sein Team, denn das Originalfenster des VWs fehlt, wurde herausgeschnitten, der Motor ist vorne und der Tank hinten eingebaut. „Das alles muss wieder umgerüstet werden“, so Grundmann, der sich mit viel Fachwissen und großem Zeitaufwand eine exklusive VW-Privatsammlung aufgebaut hat, die heute ihresgleichen sucht. Er kann auf viele Originalersatzteile aus eigenem Bestand zurückgreifen, andere werden eigens angefertigt.
Nur zwei Monate später, im Juni 2009 hat zumindest die Karosserie des VW 38 ihren ersten großen Auftritt – mitten in der Hessisch Oldendorfer Marienkirche: der älteste originale VW Käfer im ältesten Gebäude der Stadt. Um überhaupt durch den Turmeingang hindurchzupassen, muss der Käfer die zum Teil hauchdünnen Pobacken zusammenkneifen, dann klappt es. Der liebevoll „Marienkäfer“ genannte VW wird während des fünften VW Veteranentreffens zum Zuschauermagneten und tausendfach fotografierten Objekt. Er sorgt für Begegnungen, Austausch, weckt Erinnerungen, schafft Beziehungen und erregt weltweit mediale Aufmerksamkeit.
Danach taucht er in der Werkstatt der Familie Grundmann ab, intensives Quellenstudium ist für die anstehenden Arbeiten vonnöten. Im Internet können Liebhaber von VW Veteranen die schweißtreibende Restaurierung verfolgen und werden um Mithilfe gebeten bei der Suche nach fehlenden Originalteilen wie den Blinkerwinkern. Das Interesse und die Hilfsbereitschaft sind riesig, über zwei Millionen Klicks sind registriert, als die Arbeiten am VW 38 dem Ende zugehen. Im Januar 2011, bei der „Hochzeit“ des Chassis mit der Fahrgestellnummer 6 und der schwarzmatt lackierten Ganzstahlkarosserie mit vorn angeschlagenen Türen, Stoßfängern vorn und hinten sowie originalem Brezelfenster sieht der ehemalige Schrotthaufen wie neu aus – ein Glanzstück deutscher Autogeschichte. „Dieses Auto ist ein Werkzeug, das die Menschen weltweit miteinander verbindet“, sagt Traugott Grundmann im Kreise der 50 „Hochzeitsgäste“ aus Litauen, Finnland, Österreich, Polen, Deutschland, aus den Niederlanden und England, die allesamt an der Restaurierung beteiligt waren. „Ich freue mich, dass Grundmanns dieses Stück Autogeschichte gerettet haben“, betont Arunas Stepulis, der den Käfer zwei Jahre zuvor entdeckt hatte.
Ende 2011 erscheint im Delius Klasing Verlag der Bildband „Der erste Brezelkäfer – Wiederauferstehung eines Prototypen von 1938“, in dessen Mittelpunkt die originalgetreue Restaurierung des Porsche-Käfers 38/06 steht. Einer der Restauratoren, Axel Struwe aus Bielefeld, selbst passionierter VW-Sammler, Werbefotograf und Diplom-Fotodesigner hält darin in wunderschönen Farb- wie Schwarz-Weiß-Aufnahmen die Entwicklung von der Rostlaube zum schwarz glänzenden Käfer-Juwel detailliert fest. Zudem schaut er den Menschen über die Schulter, die mit viel Idealismus in der Grundmann-Werkstatt Hand anlegen. Dazu erzählt der renommierte Automobiljournalist Clauspeter Becker die Geschichte des VW 38 vom Auffinden und Erforschen sowie von der originalgetreuen Rekonstruktion in Hunderten von Arbeitsstunden – „bis der Mythos lebt“. Mit Unterstützung von Schweißern, Sattlern, Lackierern, Mechanikern und VW-Enthusiasten aus aller Welt sei es dem Grundmann-Team gelungen, „dem Käfer Stück für Stück sein altes Gesicht zurückzugeben“, schreibt er und ergänzt: „Mit seinem Design, der Verarbeitung des Materials und seinem unverwechselbaren Stil ist dieser Urkäfer ein Solitär deutscher Automobilgeschichte.“ „Das Buch ist für uns wie der Abschluss des ganzen Projektes“, sagt Christian Grundmann und fügt hinzu: „Innerhalb der ersten drei Wochen wurde es ohne Werbung 1000 Mal gekauft, Bestellungen wurden in Neuseeland, Amerika und England aufgegeben.“ Nachdem ein Wiener den Bildband 2011 zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, nimmt er Kontakt zur Familie Grundmann auf und bietet ihr einen Originalmotor für den Prototypen an, den sein Großvater 1947 erstanden hat. „Mittlerweile haben wir jenen ältesten Motor weltweit eingebaut, unser Prototyp-Wagen hat nun auch einen Prototyp-Motor, das ist einmalig in der Welt“, betont Traugott Grundmann und ergänzt: „So wird unser VW 38 Stück für Stück immer originaler.“
Der Bildband beschert Claus- peter Becker, Axel Struwe und Christian Grundmann nur wenige Monate später eine besondere Auszeichnung auf der Frankfurter Buchmesse: Bei der Verleihung des ADAC-Motorwelt Autobuch-Preises sichern sie sich mit „Der erste Brezelkäfer“ den ersten Platz in der Kategorie Marke. „Schon ergreifend, dass wir mit unserem gemeinsamen Projekt bei der Fachjury so gut ankommen“, sagt Christian Grundmann.
Das Interesse an dem Bildband ist ungebrochen, weltweit stehe er im Autobuch-Sektor ganz weit vorne, die zweite Auflage sei in Vorbereitung, berichtet Traugott Grundmann. Aber auch das Interesse an dem VW 38 ist nach wie vor enorm. „Die Internetseite läuft weiter, dadurch haben wir inzwischen weitere Teile erhalten wie das originale Getriebegehäuse des Prototypen“, sagt er und fährt fort: „2012 haben wir übrigens außer dem Autobuchpreis noch das Goldene Lenkrad für die Restaurierung des Jahres erhalten.“ Zur Preisverleihung fahren Traugott und Christian Grundmann gemeinsam nach Ingolstadt – natürlich im VW 38.
Im selben Jahr ist der Porsche-Käfer auch beim Großglockner-Bergrennen dabei. „1938/9 wurde der deutsche Bergpreis am Großglockner eingeführt, schon damals schaffte der Käfer die Bergstrecke“, erzählt Traugott Grundmann. Für die Neuauflage des Bergrennens 2012 wird die Familie Grundmann gebeten, mit ihrem VW 38 mitzumachen. Christian Grundmann gelingt es, mit dem Käfer viermal auf den Berg und wieder hinunter zu fahren, während andere Wagen liegen bleiben. „Aus Wolfsburg kam die Anfrage, ob sie ihn für ihre Ausstellung haben können, doch der originalste alte Käfer der Welt bleibt hier bei uns in unserer Privatsammlung in Hessisch Oldendorf“, betont Traugott Grundmann.
Beim sechsten VW Veteranentreffen vom 21. bis 23. Juni wird er am Hessisch Oldendorfer Kirchplatz vor dem ehemaligen Amtsgericht in einer einmaligen Ausstellung zu bewundern sein, die es laut Traugott Grundmann so nicht wieder geben wird: zwischen einem Berlin-Rom-Wagen von 1939, ausgeliehen vom Automuseum Prototyp in Hamburg und den ersten Versuchskäfern von 1936 und 1937, Leihgabe aus der Autostadt in Wolfsburg.
Lesen Sie morgen: „Ein echter Kumpel, dieser Bulli“
Es ist ein ganz besonderes Auto, dieser VW 38. Als Schrotthaufen in Litauen gefunden, ist er mittlerweile restauriert. Am Samstag wird er zum Star des VW-Treffens in Hessisch Oldendorf.