Elektroautos sind im Kommen. Der Staat fördert die Anschaffung. Die Automobilindustrie macht gerade wieder Schlagzeilen mit Investitionen und steigenden Produktionszahlen. Der Apelerner Lothar Behling lehnt sich im Polster seines E-Up zurück. Seit zwei Jahren fährt er das Volkswagen-Modell. 44 000 Kilometer zeigt der Tacho bereits an.
Der 55-Jährige greift nicht allein zum Autoschlüssel. Auch Ehefrau und zwei erwachsene Kinder schätzen den weißen Kleinwagen. Doch Behling ist von Euphorie weit entfernt. „Die Faktoren müssen stimmen“, sagt er und meint damit unter anderem das Leben auf dem Land, der Zugriff auf weitere Autos in der Familie und eine temperierte Garage. Denn Kälte mag der Kleine nicht. Und eine Ladestation oder eine Steckdose findet man nicht unter jeder innerstädtischen Straßenlaterne.
Behling ist auch deshalb kritisch, weil er als Kfz-Sachverständiger beim TÜV beinahe täglich den Vergleich anstellen kann – zwischen dem vertrauten Verbrennungsmotor und der mit einem Akku betriebenen Maschine unter der eigenen Kühlerhaube.
Mit spitzem Bleistift rechnet er die Jahreskosten aus und stellt sie einem herkömmlichen Modell gegenüber. Noch muss er einräumen, dass allein der Kaufpreis eine große Hürde ist. Zwar hat er seinen Wagen gebraucht gekauft. Doch neu hätte er 27 000 Euro gekostet. Davon entfällt allein die Hälfte des Preises auf die Batterie, deren 17 Elemente den ganzen Unterboden des Fahrzeugs beanspruchen und bei einer derzeit angenommenen Lebensdauer von sieben Jahren einen enormen Kostenfaktor ausmachen.
Andererseits: „Ich brauche keinen neuen Zahnriemen, keine Kupplung, keinen Ölwechsel“, verweist er neben einer hohen Steuerersparnis auf geringe Wartungskosten. Selbst die Bremsen unterliegen einem geringeren Verschleiß, weil die Motortechnik eine Energierückführung erlaubt.
Nur in Strom muss Behling investieren: Etwa 3000 Kilowattstunden verlangt sein Auto angesichts der jährlichen Kilometerleistung von 22 000 Kilometern. Doch auch dafür hat der Ingenieur eine wirtschaftliche Lösung gefunden: Mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach lässt er die Sonne in Teilen für sich arbeiten. Allerdings verlangt diese Kombination auch ein Umdenken: „Wenn ich am nächsten Morgen das Auto nicht brauche, lade ich es erst dann auf – und nicht schon in den Abendstunden“, macht er deutlich.
Den zweiten Nachteil des Fahrzeugs sieht er in der noch nicht optimalen Reichweite: Selbst bei einer extrem energiesparenden Fahrweise muss es spätestens nach 150 Kilometern wieder an die Steckdose – im Winter und bei schnellerem Tempo sind es sogar nur hundert Kilometer. Doch diese Menge reicht für den Einkauf, für die Fahrt zum Arbeitsplatz nach Hannover oder den Sonntagsausflug. Soll die Reise weiter gehen, müsste ein mehrstündiger Zwischenaufenthalt an einer Ladestation unbedingt einkalkuliert werden.
Die aktuellen Prognosen der Automobilindustrie teilt Behling nicht. Noch bezweifelt er stark, dass sich bis 2025 die Elektromobilität flächendeckend durchgesetzt hat. Dafür müsse es bahnbrechende Entwicklungen auf dem Batteriesektor geben. Aber mit seinen persönlichen und familiären Voraussetzungen würde er „jederzeit wieder ein Elektroauto kaufen“.
Dann macht er Platz hinter dem Steuer für den Autor. Der E-Up beschleunigt rasch auf der Landstraße. „Der lässt jeden Benziner beim Wiederanfahren an der Ampel stehen“, kommentiert Behling. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Geräuscharmut: Nur die Heizungspumpe ist zu hören – und die Geräusche der Reifen.
Damit kommen zwei weitere Gewöhnungspunkte ins Spiel: Ein warmer Innenraum im Winter kostet ebenso Strom wie Radio oder andere Elektronik und verringert die Reichweite. Und auch das fast lautlose Dahingleiten verlangt vom Fahrer erhöhte Aufmerksamkeit – auf Parkplätzen wie auch in belebten Straßen. Kein Motorbrummen warnt den achtlosen Passanten: „Da muss man schon aufpassen und umsichtig fahren.“ Die Alternative wäre ein Soundgenerator: Motorgeräusch kostet als Zubehör allerdings extra.