Bückeburg. „(...) In Bückeburg (...) hatte ich einige Stunden, die mir der Himmel aus Nr. 1 zugeworfen hatte (...)“: Auf die Spur des bekannten Philosophen und Physikers haben sich am Wochenende rund 50 Mitglieder der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesellschaft begeben. Das Programm umfasste zahlreiche Vorträge und Fahrten.
Bückeburg. „(...) In Bückeburg (...) hatte ich einige Stunden, die mir der Himmel aus Nr. 1 zugeworfen hatte (...)“: Auf die Spur des bekannten Philosophen und Physikers haben sich am Wochenende rund 50 Mitglieder der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesellschaft begeben. Das Programm umfasste zahlreiche Vorträge und Fahrten.
Das Reisen gehörte im 18. Jahrhundert zum guten Ton. Wer etwas auf sich hielt, nahm eine Kutsche und fuhr damit ins ferne Italien. Oder eben durch Deutschland, wie der Dichter der Sudelbücher, Georg Christoph Lichtenberg. Dabei kam Lichtenberg im Jahr 1772 auch durch Schaumburg-Lippe, wie Prof. Dr. Ulrich Joos in seinem Vortrag zum Thema „Lichtenberg auf der Durchreise in ,Bückenburg‘ – aus seinem Tagebuch und den Briefen“ verriet. In Stadthagen lobte der Experimentalphysiker das Monument „über dem Begräbniß der Grafen von Bückenburg“ lobte, „das selbst der Abtey von Westminster zur Ehre gereichen könte.“
Dass Lichtenberg eine subversive Seite hat, zeigte sich in einem weiteren Zitat, das Joost anführte. Seine Laune sei im Wirtshaus in Stadthagen auf höchste gestiegen, schreibt er da. „Weil niemand da war, dem ich Salz Gurcken in die Hosen stecken konte, so nagelte ich alle die Porträts in der Stube verkehrt an, mit den Köpfen unten, dem Mädchen im Hauße hielt ich einmal eine glühend heise TobacksPfeife an den Arm, meinst Du das sie gezuckt hätte.“
Mindestens genauso interessant ist eine Stelle, die eine Überfahrt zum Wilhelmstein beschreibt („unser Boot war in etwa in der Mitte Fuß breit ... es wurde von zween Kerls gerudert“) und in der Lichtenberg „2 große aus Zinn gegossene Spiegel“ beschreibt. Die erleuchte „bey Nacht eine auf dem See aufgestellte Scheibe“, um „darnach mit Kanonen zu feuern...“. Oder, wie Joost es ausdrückte: „Das waren die Scheinwerfer des 18. Jahrhunderts.“
In „Bückenburg“ sprach Lichtenberg mit Herder („Du kannst nicht glauben, wie vortrefflich er eingerichtet ist“), den Grafen traf er indes nicht an („Besah des folgenden tags die Merckwürdigkeiten des Schlosses, wo aber die gröste, nemlich der Graf, fehlte“). Leider, so Ulrich Joost im Gespräch, sei ein großer Teil der Tagebücher bisher nicht verlegt worden, weshalb die Lesung aus der Reise durch Bückeburg/Stadthagen/Steinhude eine Premiere bildete. Es werde aber bald eine Gesamtedition geben, an der er mitarbeite.
Im Anschluss hielt Dr. Stefan Brüdermann einen Vortrag zum Thema „Schaumburg-Lippe, Graf Wilhelm und Herder in der Lichtenberg-Zeit“. Der Hausherr im gastgebenden Staatsarchiv berichtete vom Wirken des Grafen Wilhelm, dessen „Spuren seiner Bautätigkeit“ – Schloss, Marktplatz, Stadtkirche, Stadterweiterung – Bückeburg dauerhaft geprägt hätten.
Schaumburg-Lippe sei quasi im Privatbesitz der Herrscherdynastie gewesen und so seien alle wichtigen Impulse von der Landesherrschaft ausgegangen. Die Stände, so Brüdermann, hätten keine wesentliche Rolle gespielt. Ein Hauptaugenmerk habe Wilhelm auf den Aufbau einer kleinen Armee gerichtet, wohl, weil er in Sorge um die Selbstständigkeit seines Kleinstaates gewesen sei.
Seine Vorstellungen vom Militärdienst beschreibt Brüdermann als „ungewöhnlich human“: „In einer Truppendienstvorschrift von 1754 verbot er den Unteroffizieren, die Soldaten mit dem Stock zu schlagen und ermahnte sie, ohne Lärmen und Schelten auszubilden.“ Maßgebend sei für ihn die Erkenntnis der sinnlosen Grausamkeit des Krieges gewesen, was ihn zur Überlegung geführt habe, mit einer starken Defensive einen möglichen Angreifer überhaupt vom Kriege abzuschrecken.
Die Rolle der Festung Wilhelmstein sieht Brüdermann darin, „einen letzten Zufluchtsort für die Unabhängigkeit des kleinen Landes“ zu bieten. Als 1787 die Hessen den Mangel an einem volljährigen Erbfolger für eine Besetzung des Landes genutzt hätten, habe sich das Modell bewährt. „Wilhelmstein hielt, bis eine diplomatische Lösung die Unabhängigkeit des Landes bewahrte“, ließ Brüdermann wissen. Bei Lichtenbergs Besuch sei der „zweifellos originelle Kopf“ nicht in Bückeburg gewesen. „Schade, denn es hätte sicher ein interessantes Gespräch zwischen ihm und Lichtenberg geben können“, befand Brüdermann.
Die Lichtenberg-Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, das Andenken an Georg Christoph Lichtenberg zu pflegen und zu verbreiten und sein literarisches und wissenschaftliches Werk im Zusammenhang zu erforschen. Zu diesem Zweck hat die Gesellschaft von 1977 an die Zeitschrift „Photorin. Mitteilungen der Lichtenberg-Gesellschaft“ herausgebracht, die 1989 durch das Lichtenberg-Jahrbuch abgelöst wurde. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, sehr gebildete Laien und Fachleute zum Austausch zusammenzubringen“, schildert Ulrich Joost die Aufgabe der Gesellschaft. Das gelinge immer wieder aufs Beste, weil hier unterschiedliche Auffassungen zusammenkämen. Die Tagungen sieht Joost nicht als Suche nach einem „genius loci“, es sei vielmehr eine empirische Methode, der man sich bediene. „Wer an die Orte fährt, die Lichtenberg besucht hat, kann besser verstehen, was er darüber schreibt.“ Der Vorteil Bückeburgs liege in der Tatsache, dass es kaum Kriegsschäden erlitten hat; hier lebe es sich, so Joost, „wie zu Lichtenbergs Zeiten“.
Und was schätzt der Vorsitzende der Gesellschaft, Prof. Dr. Rudolf Drux, an Lichtenberg? „Zum einen, dass er anspielungsreich und subversiv ist, zum anderen seinen experimentellen Charakter.“ Lichtenberg habe, wie in der Aufklärung üblich, einen Hang zum Empirischen gehabt und „aus Orten, die er besucht hat, eine direkte Anschauung gewonnen.“ Schade findet Drux, dass der Nachwuchs kaum noch Werke Lichtenbergs kenne. Er habe Studenten auch höherer Semester erlebt, die den bekannten Publizisten und Physiker für einen Vorort Berlins gehalten hätten.