BÜCKEBURG. In der Begegnungsstätte Bückeburg soll am Montag, 23. Januar, das Gründungstreffen der Selbsthilfegruppe „Depression“ stattfinden. Treffen soll sich an jedem zweiten und vierten Montag im Monat jeweils nachmittags von 15.30 bis 17 Uhr ein Kreis älterer Frauen – oder auch jüngere, die sich angesprochen fühlen.
Alle sind mit dem Thema Depressionen vertraut, wissen, wie es sich anfühlt, manchmal antriebslos, vergesslich, lustlos bis verzweifelt zu sein. Sich gegenseitig zu ermutigen und nicht nur „im Kreis jammern“, ist Hauptziel der Gruppe. Die Frau, die vorspricht, ist lediglich Impulsgeberin, keine Gruppengründerin im klassischen Sinn, weil sie sich nicht vorstellen kann, Gruppenrunden zu moderieren.
Depressionen sind eine Krankheit
Auf die Frage, wie es denn bei ihr mit Depressionen anfing, sinniert sie: „Ich weiß nicht, ob es die schon bei meinen Vorfahren gab, sie sollen ja vererblich sein.“ In ihrer Jugend hieß es immer: „Reiß Dich zusammen, Du hast es doch so gut!“. Erst mit 60 Jahren, im Gespräch mit einem Psychotherapeuten hat sie verstanden, dass Depressionen eine Krankheit sind und sie sich nicht zusammenreißen kann und auch nicht muss. In der Familie klarzumachen, worunter sie leidet, ist ihr nicht gelungen. Ihre Eltern, Tanten, Onkel hatten keinerlei Verständnis für sie und auch kein Verlangen, sich mit ihrem Befinden auseinanderzusetzen. Ihr Selbstmordversuch mit 16 Jahren wurde einfach totgeschwiegen. Die Ursprungsfamilie sei aber inzwischen verstorben und ihre Kinder und Freunde gehen mit ihrer Depression ganz anders um: Sie verstehen das, bei ihnen kann sie sich einfach verkrümeln und sagen: „Ich kann heute nicht.“
Kreuzunglücklich mit der Berufsausbildung
Wie kam es wohl zur Depression? Die Frau war kreuzunglücklich mit der Berufsausbildung. Ihre Eltern hatten einen eigenen Handwerksbetrieb, in dem sie auch lernen sollte. Ihr Traumberuf war aber Krankenschwester. Irgendwann hatte sie zum Glück die Gelegenheit, im Krankenhaus Bethel auszuhelfen, was sie auch mit Freude getan hat. Sie heiratete einen liebevollen Mann, bekam drei gesunde und fröhliche Kinder, hatte Freundinnen und litt trotz der wirklich guten Lebensumstände immer wieder an drei bis vier Monate langen Depressionsphasen. Ihr Mann informierte sich beim Hausarzt über diese Erkrankung und konnte ihr so verständnisvoller zur Seite stehen.
Reiß Dich zusammen, Du hast es doch so gut!
Eine Betroffene, die die Impulsgeberin zur Gründung der Gruppe ist
Ihr Mann verstirbt kurz nach ihrem Examen
Eine Ausbildung zur Krankenpflegehelferin hat sie mit der Unterstützung ihres Mannes, der seinen Dienst änderte, um mehr Zeit für die Kinder, Haus- und Gartenarbeit zu haben, dann 1985 machen können. Gegen Ende der einjährigen Ausbildung erkrankte ihr Mann schwer und verstarb kurz nach dem Examen. Die Freude, im neu erlernten Beruf arbeiten zu können sowie ihre Kinder gaben ihr Lebensmut und die inzwischen erwachsenen Kinder mit eigenen Familien unterstützen sie, so zu leben wie es ihr gut tut und sich nicht immer an die Wünsche und Vorstellungen anderer anzupassen. Eigene Grenzen zu erkennen und zu setzen, sei allerdings immer noch ein Lernfeld. Sie fand und findet Ruhe im Gebet – und ist im Gottvertrauen weitermarschiert, fühlt sich getragen. Die Impulsgeberin für diese neue Depressions-Gruppe liebt Tier- und Naturfilme, Lesen und Vorlesen, hat aber auch Lust auf kulturelle Unternehmungen mit Gleichgesinnten.
Hoffen auf gegenseitige Ermutigung
In der Gruppe erhofft sie sich gegenseitige Ermutigung und Bewältigungsstrategien, wie andere es machen, wenn sie in die depressive Phase abrutschen. Und sie ist neugierig, wie die Mitmenschen der anderen auf die Erkrankungen reagieren und was das dann mit den Erkrankten macht. Offen miteinander sprechen, einander aufmerksam zuhören und mitfühlen könne befreiend sein und noch mehr Selbstvertrauen geben.
Das Gruppengeschehen kann laut Erfahrung der Kontaktstelle nur gelingen, wenn Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt werden: So kann eine die Raumverantwortliche sein, die andere Zeitwächterin, die nächste Moderatorin – und eine andere Teilnehmerin überlegt sich, welche Referenten mal zu einem Gruppentreffen eingeladen werden können. Die mutige Frau, die zur Kontaktstelle kam, übernimmt die Kontaktaufnahme mit Neuen und hält den Kontakt zur Kontaktstelle.
Gründungstreffen in der Begegnungsstätte Bückeburg
Betroffene sollten sich ein Herz fassen und ins Gespräch mit Gleichbetroffenen gehen. Das Gründungstreffen in der Begegnungsstätte Bückeburg, Herderstraße 35 (bitte den Eingang vom großen Parkplatz aus nutzen!) könnte der Anfang für etwas ganz Neues sein!
Kontakt: Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen Schaumburg, Telefon (05722) 9522-20 (dienstags 9 bis 11 Uhr, mittwochs 14 bis 17 Uhr, donnerstags 11 bis 15 Uhr, freitags 9 bis 13 Uhr) oder Mail: selbsthilfe.schaumburg@paritaetischer.de. r
Wie finde ich einen Therapieplatz?
Woran merke ich, dass eine Therapie für mich sinnvoll wäre?
- Geht es Ihnen psychisch so schlecht, dass die Lebensqualität leidet, ist das ein wichtiges Anzeichen. «Wenn Gedanken und Gefühle dazu führen, dass sie Beziehungen, soziale Kontakte oder den Beruf gefährden, kann eine Psychotherapie helfen», so der Psychotherapeut Gebhard Hentschel, der Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) ist.
- Manchmal ist es auch der Körper, der signalisiert, dass etwas mit der Psyche nicht stimmt - durch einen Tinnitus beispielsweise oder Verdauungsbeschwerden.
- Anlass für eine Psychotherapie kann auch ein traumatisches Ereignis sein, etwa ein Unfall oder die Krankheit eines geliebten Menschen.
Muss ich erstmal zum Hausarzt oder zur Hausärztin?
- Eine Überweisung vom Hausarzt oder der Hausärztin ist kein Muss, um sich auf die Suche nach einem Therapieplatz zu machen, so die Stiftung Gesundheitswissen. Aber ein Termin dort kann sinnvoll sein - auch um andere Erkrankungen auszuschließen. Denn hinter depressiven Symptomen etwa kann auch die Schilddrüse stecken, so die Deutsche Depressionshilfe.
Wie finde ich einen Therapeuten oder eine Therapeutin?
- Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten an verschiedenen Orten - etwa in der eigenen Praxis, aber auch in Krankenhaus-Ambulanzen oder psychosozialen Beratungsstellen.
- Dorthin kann man sich wenden und zunächst einen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde ausmachen. Denn die ist Pflicht, bevor es mit einer Psychotherapie losgehen kann. «Dort wird geklärt, ob eine Therapie nötig ist - und wie eventuelle Wartezeiten sinnvoll überbrückt werden können», so Hentschel.
- Kassenpatienten können sich auch über die zentrale Terminvermittlungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigungen einen Termin geben lassen.
- Wichtig zu wissen: Dass man in einer Praxis einen Sprechstundentermin hat, heißt nicht, dass es dort auch einen freien Therapieplatz gibt. Mit dem Befund aus der psychotherapeutischen Sprechstunde kann man sich aber bei anderen Praxen um einen Platz bemühen und auf die Warteliste setzen lassen.
Apropos Warteliste: Wie lange muss ich warten?
- Das lässt sich nicht genau vorhersagen. Aber ohne Geduld geht es nicht. Denn Psychotherapeutinnen und -therapeuten werden von mehr Menschen angefragt, als sie aufnehmen können. Dieses Problem hat sich durch die Pandemie nochmals verschärft, wie eine aktuelle Befragung der DPtV unter den Mitgliedern zeigt.
- Psychotherapeuten wurden demnach im Sommer 2022 weiterhin 40 Prozent häufiger von Patienten angefragt als im Januar 2020. Waren es damals im Schnitt 4,9 Patienten pro Woche, lag die Anzahl im Juni 2022 bei 6,9 Patienten. Die DPtV-Umfrage zeigt auch: In Großstädten ist die Nachfrage größer als in kleineren Städten oder auf dem Land.
- Knapp jeder vierte Patient erhält einen Termin für ein Erstgespräch. Kurzfristig klappt das jedoch nicht immer: Etwa die Hälfte muss laut der DPtV darauf länger als einen Monat warten.
Wie überbrücke ich die Wartezeit?
- Wer auf Hilfe wartet, sollte gut auf sich selbst achten. «Ziehen Sie sich nicht zurück. Sprechen Sie mit guten Freundinnen und Freunden und der Familie über Ihre Probleme, besuchen Sie Selbsthilfegruppen und tauschen Sie sich mit Betroffenen aus», so Psychotherapeut Hentschel.
- In Ausnahmesituationen und akuten Krisen besteht etwa die Möglichkeit einer Akutbehandlung, die aus zwölf Therapieeinheiten à 50 Minuten besteht. Und somit oft für eine erste Linderung sorgen kann.
- Und: «Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie stark gefährdet sind, melden Sie sich bei einer Psychiatrie für eine stationäre Behandlung», so Hentschel.
Wenn es endlich losgeht - wer zahlt die Psychotherapie?
- Psychotherapie ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Das heißt laut der Stiftung Gesundheitswissen: Die Krankenkasse trägt die Kosten für die Therapie, wenn es sich um eine Praxis mit Kassenzulassung handelt.
- Bei privaten Krankenversicherungen ist die Kostenübernahme nicht einheitlich geregelt. Ob und wie viel die Kasse zahlt - das findet man mit Blick in den Versicherungsvertrag heraus. dpa