Meinser Kämpen. Es ist eine dieser besonderen Geschichten, wie man sie nur auf dem Land, wo die Welt noch in Ordnung und die Natur nebenan ist, erleben kann. Und doch ist es für Sören und Heidi Peters sowie ihre drei Töchter Elisa (9), Maresa (7) und Theresa (5) völlig normal, dass „Henriette“ bei ihnen ist. Im Grunde ist es, zusätzlich zu seinen beiden Jagdhunden, ja auch nur ein „Familienmitglied“ mehr – übrigens ein recht anhängliches. Dass es sich dabei allerdings um ein schon recht groß gewordenes Rothirschkalb handelt, macht da für sie keinen Unterschied. Wobei die fünf Meinser Kämpener am 15. Mai vergangenen Jahres nicht schlecht gestaunt hatten, als sie „Henriette“ plötzlich im Vorgarten der von ihnen bewohnten Försterei entdeckten – seinerzeit noch ganz klein und mit weißen Punkten auf dem braunen Fell.
Meinser Kämpen. Es ist eine dieser besonderen Geschichten, wie man sie nur auf dem Land, wo die Welt noch in Ordnung und die Natur nebenan ist, erleben kann. Und doch ist es für Sören und Heidi Peters sowie ihre drei Töchter Elisa (9), Maresa (7) und Theresa (5) völlig normal, dass „Henriette“ bei ihnen ist. Im Grunde ist es, zusätzlich zu seinen beiden Jagdhunden, ja auch nur ein „Familienmitglied“ mehr – übrigens ein recht anhängliches. Dass es sich dabei allerdings um ein schon recht groß gewordenes Rothirschkalb handelt, macht da für sie keinen Unterschied. Wobei die fünf Meinser Kämpener am 15. Mai vergangenen Jahres nicht schlecht gestaunt hatten, als sie „Henriette“ plötzlich im Vorgarten der von ihnen bewohnten Försterei entdeckten – seinerzeit noch ganz klein und mit weißen Punkten auf dem braunen Fell.
„Wir waren bei einer Ballettaufführung; als wir nach Hause kamen, stand sie vor der Tür. Da haben wir gedacht: Träumen wir jetzt oder was?“, erinnert sich Elisa. Weiter berichtet sie, dass ihr Vater das noch kleine Tier, das gerade mal acht Kilogramm wog, zunächst in ein freies Abteil eines Hundezwingers gesperrt hatte, um erst mal zu überlegen, was man mit dem Hirschkalb machen solle.
Hirschkuh hätte „Henriette“ nicht
mehr angenommen
Zumal er – von Beruf Revierförster des Fürstlichen Forstamtes Bückeburg – davon ausgegangen war, dass die zugehörige Hirschkuh ihr vermutlich erst ein, zwei Tage zuvor geborenes Junges nicht mehr angenommen hätte. Denn allein schon für den Transport hätte man es ja anfassen müssen, sodass spätestens dann der Geruch eines Menschen an dem Hirschkalb gehaftet hätte. Ergo war der Familie Peters schnell klar, dass man sich selbst um „Henriette“ kümmern müsse.
„Das Tier wäre definitiv gestorben“, ergänzt Sören Peters. Außerdem habe sich ihm somit eine tolle Möglichkeit geboten, so ein Wildtier und dessen Verhalten mal über einen längeren Zeitraum hinweg aus nächster Nähe beobachten zu können.
Von einem Schäfer hatte seine Frau noch am selben Tag eine spezielle „Lämmermilch“ besorgt, die sie mit Fencheltee vermischte und mittels einer Nuckelflasche an das sichtlich ausgehungerte, neue Familienmitglied verfütterte. Was das Tier dankbar annahm. Und von da an musste das Hirschkalb über Monate hinweg alle zwei bis drei Stunden auf diese Weise versorgt werden – also auch in der Nacht. Wobei diese Aufgabe im Wesentlichen von Heidi Peters als „Ersatzmutter“ übernommen wurde, die während dieser Zeit allnächtlich mehrfach aus dem Haus musste, um das draußen im Freien gebliebene Hirschkalb zu füttern. Erst um den Jahreswechsel herum war es dann – nach einer von Heidi Peters wohlwollend bemessenen Frist, in der das „Lämmermilch“-Fencheltee-Gemisch immer seltener gereicht wurde – endgültig mit der Flasche vorbei.
Mittlerweile ist „Henriette“ zwar schon zehn Monate alt, doch eigene Wege gehen will sie noch nicht: „Dafür ist die Bindung des Tieres zu meiner Frau noch zu eng“, erklärt der Wildtierexperte, und schiebt ernst gemeint, aber mit einem Lachen im Gesicht hinterher, dass es sich halt um „eine klassische Alttier-Kalb-Beziehung“ handelt. Auf lange Sicht hoffen er und seine Familie, dass das Hirschkalb, wenn es Ende August/Anfang September dieses Jahres geschlechtsreif wird, den Weg zurück in die Natur und dort Anschluss an seine im Schaumburger Wald lebenden Artgenossen findet. „Für uns wäre das die schönste Lösung“, sagt Heidi Peters. Denn dann würde es wieder wie ein ganz normales Wildtier leben.
Alternativ müsste man es sonst vielleicht in einen Tierpark geben, fügt der Ehemann hinzu. Derzeit indes ist es faszinierend zu beobachten, wie stark das Hirschkalb auf seine menschliche Ersatzmutter fixiert ist. Ein anschauliches Beispiel hierfür bot die Fotosession, die der Autor dieses Berichtes mit den drei Peters-Töchtern Elisa, Maresa und Theresa plus „Henriette“ nahe der Revierförsterei hatte. Die nämlich war jäh zu Ende, als das Tier bemerkte, dass Heidi Peters offenbar wegfahren wollte. Sofort spurtete „Henriette“ von der am Waldrand gelegenen Wiese los, dem Pkw hinterher – bis zur Kanalbrücke. Woraufhin Heidi Peters stoppte und – das Tier im Gefolge – zum Hof der Försterei zurückkehrte, um von dort aus einen Augenblick später einen zweiten Wegfahrversuch zu starten. Doch auch da lief ihr das Hirschkalb mehrere Hundert Meter hinterher, gab die Verfolgung dann aber auf und kehrte nach einem Umweg durchs Feld zum Ausgangspunkt zurück. Für die Försterfamilie schon längst ein alltäglicher Vorgang – für Außenstehende jedoch kaum zu glauben.
Gleichwohl stellt sich spätestens an dieser Stelle die Frage, welche Erkenntnisse der Revierförster durch das quasi Zusammenleben mit dem heranwachsenden Hirschkalb gewonnen hat: „Die erste Erkenntnis ist die gewesen, dass solch ein Tier wie alle Rudeltiere von Natur aus nicht scheu ist, wenn es den Menschen nicht als Gefahr kennengelernt hat“, sagt Sören Peters. Zudem habe „Henriette“ einen „festen Lebensrhythmus“, indem sich die Phasen Fressen, Ruhen, Wiederkäuen und Spielen fünf- bis sechsmal innerhalb von 24 Stunden abwechseln. Daraus könne man ableiten, wie wichtig es sei, in der Natur Rücksicht auf das Wild zu nehmen und es nicht unnötig aufzuschrecken, damit dessen Lebensrhythmus nicht gestört wird.
Heidi Peters hat festgestellt, dass es keinen Sinn macht, Blumen in den Garten zu pflanzen, so lange „Henriette“ dort herumstromert. Gerade die Blüten scheinen ihr nämlich besonders gut zu schmecken, wie man an all den abgefressenen Gartenblumen erkennen kann.