Bückeburg. Sie sind selbst als Fremde nach Deutschland gekommen, jetzt helfen sie anderen: Die Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde Bückeburg bringen Hilfsgüter dorthin, wo sie dringend gebraucht werden. Das gefällt nicht jedem.
Menschen in Not zu helfen – diese Maxime hat die Türkisch-Islamische Gemeinde Bückeburg seit ihrer Gründung begleitet. Wer Menschen, die sich in einer Notlage befänden nicht helfe, der sei kein guter Moslem, sagt Mehmet Kilic, der Imam. „Es geht dabei nicht darum, welche Hautfarbe und welche Religion diese Leute haben, ob sie Muslime, Christen oder Jesiden sind. Es ging und geht darum, dass hier Menschen sind, die unsere Hilfe brauchen.“
Wie diese Hilfe konkret aussehen kann, dass entscheiden die Gemeindemitglieder vor Ort. Aktuell betreut der Imam Familien, die in der Herderschule leben. Hier sei vor allem das Gespräch und ganz alltägliche Handreichungen wichtig, sagt er. „Die Situation hat sich gegenüber dem letzten Jahr ziemlich entspannt.“
An den letzten Sommer und Herbst kann sich Mehmet Kilic noch gut erinnern: Als im September 342 Menschen nach Bückeburg kamen, waren die Helfer der Türkisch-Islamischen Gemeinde sofort zur Stelle. Die Gemeindemitglieder halfen beim Dolmetschen, gaben Mittagessen aus und erklärten den teils verängstigten Menschen, wie es für sie weitergeht. „Durch das persönliche Gespräch konnte viel Angst genommen werden“, sagt Kilic heute.
Neben den vielen positiven Erfahrungen (etwa die große Freude, als die Gemeinde sieben Kleinbusse mit Hilfsgütern zur Jägerkaserne brachte) hat Kilic auch Ablehnung erlebt. Allerdings nicht vonseiten der Flüchtlinge, sondern aus der sogenannten Mehrheitsgesellschaft heraus. Denn als Mitglieder in einem Bückeburger Drogeriemarkt einen Großeinkauf für die Flüchtlinge machen wollten, hakte eine der Verkäuferinnen nach. Wofür die Mengen an Zahnpasta und Seife seien, wollte sie wissen. „Und als sie hörte, dass es für Flüchtlinge sein soll, meinte sie, dass wir den Wagen stehen lassen könnten – für Flüchtlinge würde sie das nicht verkaufen.“ Zwar entschuldigte sich die Geschäftsleitung später, dennoch: Ein schlechtes Gefühl blieb.
Kilic kopfschüttelnd: „Wir können nicht verstehen, warum sie das gesagt hat – das war nicht so schön.“ Insgesamt sei Bückeburg aber tolerant, die Kooperation mit der Stadt und den Helfern klappt sehr gut.
Schwieriger wird es, wenn es um die Vermietung von Wohnungen geht. Dann schaut sich manch ein Vermieter lieber nach anderen Mietern um. Das musste auch die Türkisch-Islamische Gemeinde erleben, die für sechs Familien nach Wohnungen sucht. Sechs Wochen dauern die Anstrengungen jetzt schon – das Ergebnis: gleich null. „Leider sind die Vorurteile ziemlich groß“, sagt Mehmet Kilic. „Die Vermieter vermieten lieber an deutsche Mieter.“
Wer eine freie Wohnung von 60 bis 65 Quadratmetern weiß, der sollte sich an die Türkisch-Islamische Gemeinde wenden. Trotz aller Hemmnisse: Kilic ist überzeugt, dass Deutschland die Integration der Flüchtlinge bewältigen kann. Menschen am Leben zu erhalten, sei eine wichtige Aufgabe, sagt er. „Das kommt an erster Stelle.“ Er wolle es jedenfalls nicht mehr erleben, dass Kinder tot am Ufer angeschwemmt werden. „Deshalb müssen wir jetzt alle zusammenarbeiten. Die Lösung des Flüchtlingsproblems ist eine Aufgabe für alle Menschen.“ Es sei sehr schade, dass sich die Distanz zu Flüchtlingen nach den Vorfällen in Köln vergrößert habe.
Ergün Koskan, ein Mitglied der Gemeinde, sieht das genauso: „Wenn diese Menschen den Islam wirklich kennen und sich dementsprechend verhalten würden, käme es nicht zu solchen Vorfällen.“ Im Klartext: „Solche Taten werden von uns nicht toleriert.“ Die Vorurteile sieht Koskan als ein Resultat der zahlreichen Kriege, „die von Gruppierungen, angeblich im Namen des Islams geführt werden“. Um diese Vorurteile abzubauen, sollte man den Islam besser kennenlernen.