Geboren wurde sie im Auetal, in Hattendorf, aufgewachsen ist sie in Rehren, wo ihr Vater Rektor der Mittelpunktschule war, ihre Mutter arbeitet auch als Lehrerin, es gab drei ältere Brüder, „Lehrerkind, Flüchtlingskind, ich gehörte nirgendwo dazu“, sagt Sabine Asgodom, und mit 14 wollte sie Pastorin werden.
Wenn sie heute ihre Kindheit und Jugend beschreiben soll, dann formuliert sie es so: „Ich war intellektuell gefördert und emotional ausgehungert.“
Der Pastorenberufswunsch hielt nicht lange an, im Mai 1972 wurde sie an der deutschen Journalistenschule in München aufgenommen, und den Kulturschock kann man sich unschwer vorstellen: Das Dorfkind aus dem Auetaler Ort mit damals 342 Einwohnern von heute auf morgen in der großen weiten Welt rund um Schwabing.
Immer mehr Menschen stellen im Beruf die Frage nach der Sinnhaftigkeit
Sie setzt sich durch, arbeitet bei verschiedenen Zeitungen, heiratet, bekommt zwei Kinder, ist 25 Jahre fest angestellt bei der Zeitschrift „Eltern“ und beim Frauenmagazin „Cosmopolitan“, hält parallel zur Redaktionsarbeit Vorträge, sie wird schließlich Unternehmerin und Buchautorin, 35 Bücher hat sie mittlerweile verfasst; mit dem Schreiben der Bücher, sagt sie, „fing das Neue an.“ Sie traf einen gesellschaftlichen Nerv, denn es lief gut, von Anfang an.
Sie ist Management-Trainerin, Journalistin, Hörbuchsprecherin, Vortragsrednerin und Autorin, sie wird Coach zu einer Zeit, als es diesen Begriff noch gar nicht gab, mittlerweile gibt es in Deutschland rund 40 000 Coaches, rund 180 hat Sabine Asgodom selbst ausgebildet, und es ist ihr Name, der fällt, wenn nach dem besten deutschen Coach gefragt wird.
Coaching ist ein boomender Markt, der durch die Coronakrise noch einmal deutlich an Schwung aufgenommen hat, schließlich haben sich in den langen Zeiten des Homeoffice viele die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns gestellt. Umfragen, so erzählt Sabine Asgodom beim Pressegespräch, „haben ergeben, dass 25 Prozent aller Mitarbeiter ihre Firmen in den nächsten zwölf Monaten verlassen werden.“ Immer mehr leiden an einem Leben, das nur noch aus Arbeit besteht; einem Leben, in dem die Arbeitsgeschwindigkeit immer höher getaktet wird. Jedes Tag ein kleines bisschen. Und die meisten sind durch das Handy jederzeit erreichbar und einsetzbar, das zerrt.
Ein Coach hilft, veraltete Verhaltensmuster zu durchbrechen und die Gedanken zu ordnen, er hilft, sich seiner Werte und Bedürfnisse bewusst zu werden. Sabine Asgodom sieht es so: Die Lösung kommt nicht von ihr, sie liegt bei dem, der sich bei ihr coachen lässt; sie lässt zu, dass Menschen auf eigenen Ideen kommen. Sie muss oft nur noch ein bisschen schubsen, dann zeigen sich neue Wege. Und manchmal bringen kleine Veränderungen bereits viel, manchmal entwickelt Asgodom mit ihren Klienten komplett neue Lebenspläne.
Unter Raketenbeschuss in Afrika
Die 68-Jährige spricht schnell, druckreif, kommt mit ihren Fragen sofort auf den Punkt, das hat sie in ihrer Zeit als Journalistin gelernt, nicht lange rum schwafeln, sondern sagen, was ist. Ein Wendepunkt in ihrem Leben war Eritrea, dort war sie als Reporterin, als dort der Unabhängigkeitskrieg mit Äthiopien tobte, sie fand sich plötzlich in einem Raketenangriff wieder und fasst einen Entschluss: Ich werde jeden Augenblick leben. Ich werde nicht warten.
Was sie heute ihren Zuhörern bei den Vorträgen oder beim Coaching empfiehlt, sind Genuss, positive Gefühle, man sollte froh sein, vor allem als Frau, „denn frohe Frauen funkeln heller“, sagt sie, und man sollte sich auf die eigenen Stärken besinnen, und einmal am Tag in den Flow kommen, also Dinge um ihrer selbst willen tun, die Zeit vergessen; und das ist ja auch am Arbeitsplatz möglich, einmal ganz in der Arbeit versinken.
Das Entscheidende, sagt Sabine Asgodom, ist das gemeinsame Leben: „Wir benötigen die Gemeinschaft zum Überleben. Wir brauchen die positiven Emotionen, damit wir kreativ werden und auf gute Ideen kommen. Der Stress mache uns Probleme. Das gute Gefühl dagegen schafft Geborgenheit.“
„Schuld ist ein elendes Wort“
Man muss offen sein, sagt sie, offen sein für die Überraschungen des Lebens; man muss zuversichtlich sein und sich wertschätzen; sich etwas zutrauen; neue Pläne schmieden. Viele Menschen haben das verlernt, sagt sie, und ihnen kann sie helfen. Und man sollte sich als Frau etwas zutrauen: Wenn der Chef mit einer neuen Aufgabe kommt, dann sollte man nicht fragen, ob er ihr das zutraue, das würde ein Mann ja niemals machen. Frau sollte drei Worte sagen: „Ja, mache ich.“
Waren es anfangs 99 Prozent Frauen, die ihr zuhörten, hat sich dies längst geändert, heute kommen auch Führungspersönlichkeiten zu ihr. Drei Punkte zeichnet sie aus, sagt Sabine Asgodom, sie ist offen, sie ist schnell – zwei Stunden Coaching reichen oftmals aus, „was die Kollegen ärgert“ – und, vielleicht am wichtigsten, sie möchte die Menschen entlasten, ihren etwas von den Schultern nehmen, sie macht niemandem Vorwürfe, denn Vorwürfe arbeiten mit der Schuld. Das will sie nicht, sagt sie, „Schuld ist ein moralisierender Begriff, Schuld ist ein elendes Wort.“ Und sie ist pragmatisch: „Dann ist das so“, sagt sie oft in ihren Vorträgen, man muss im Leben Entscheidungen annehmen, auch wenn sie nicht gefallen. Denn nicht jeder bekommt vom Leben das Geschenk überreicht, dass er erwartet, „wir haben keinen Anspruch darauf, das wir etwas erhalten.“
Sie war Deutschlands erste Fußball-Schiedsrichterin
Das Pressegespräch endet, denn die drei mit einem Eis bestochenen Enkel wollen ihre Oma zurück, dabei hätte man noch so viel bereden können: Sabine Asgodom unterstützt seit vielen Jahren ein Projekt des Eritrea-Hilfswerks in Deutschland, das alleinstehenden und verwitweten Frauen in Eritrea eine Ausbildung ermöglicht, vor 15 Jahren wurde sie von der „Financial Times Deutschland“ zu den 101 wichtigsten Frauen in der deutschen Wirtschaft erklärt, sie hat das Bundesverdienstkreuz erhalten und sie war, kein Witz, Deutschlands erste Schiedsrichterin. 1969 war das, zu einer Zeit also, als Frauen das Fußballspielen selbst noch verboten war. Und sie kann sich bestens erinnern, wie viel Macht die kleine schwarze Pfeife einer leicht verhuschten Jugendlichen inmitten einer Horde großer Männer verlieh: Das war „schwerste Autorität“, sagt sie, und diese Erkenntnis habe sie fürs Leben geprägt.
+++ Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien schon einmal am 13.Mai 2022. +++