Cornelius Hildebrand arbeitet für die Deutsche Bahn. Aber nicht an irgendeiner Stelle, sondern als Projektsteuerer in dem Team, das den Ausbau der ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld plant. Wir stellen ihn vor.
RINTELN. Cornelius Hildebrand arbeitet für die Deutsche Bahn. Aber nicht an irgendeiner Stelle, sondern als Projektsteuerer in dem Team, das den Ausbau der ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld plant. Und, er kommt aus Rinteln. Unsere Zeitung hat einen der maßgeblichen Köpfe hinter dem Deutschlandtakt getroffen.
Waren Sie als Kind schon bahnbegeistert?
Nein, ich habe als Kind nicht mit der Märklin-Eisenbahn gespielt. Bei mir war es Liebe auf den zweiten Blick. Während meines Studiums habe ich mich auf die Fachrichtung Verkehrsmanagement spezialisiert. Zu dieser Zeit, also vor circa 20 Jahren, kam dann auch das Thema ,nachhaltiger Verkehr‘ immer stärker auf. Das empfand ich als spannend.
Fahren Sie lieber Bahn oder Auto?
Beides. Wir leben ja hier im ländlichen Raum mit einem eher schwach ausgebauten ÖPNV-Netz. Um hier einzukaufen oder um Freunde zu treffen, nehme ich das Auto. Daran schätze ich die Flexibilität. Zwischen Städten schätze ich eine schnelle Verbindung. Während der Fahrt kann man schon Mails lesen oder sich in Fachthemen einarbeiten. Man ist zwar nicht so produktiv wie im Büro, aber deutlich produktiver als während einer Autofahrt. Für den Arbeitsweg nehme ich bis Hameln das Auto, dann fahre ich mit dem Zug weiter nach Hannover. Es schlagen also beide Herzen in meiner Brust.
Was würden Sie sich als Kunde von der Bahn wünschen?
Pünktliche, verlässliche Verbindungen und die Ausweitung des Angebots; also, dass die Züge häufiger fahren. In Regionen, in denen der Zug nur stündlich fährt und mal ein Zug ausfällt, dann kann der Fahrgast auch schon mal zwei Stunden auf dem Bahnsteig stehen. Das ist ärgerlich. Und Sauberkeit in den Zügen. Die Bahn ist schon gut, aber wir wollen sie besser machen. Dafür steht auch das Projekt Hannover–Bielefeld.
Seit wann arbeitet die DB an dem Projekt Deutschlandtakt und waren Sie von Beginn an involviert?
Mitte 2020 wurde die Idee in die Öffentlichkeit getragen. Für das Projekt Hannover– Bielefeld ist der D-Takt seit Beginn der Planung Ende 2020 und die damit verbundenen Ziele von Tag eins relevant.
Wie fühlt es sich an, wenn man mit so einem Mammutprojekt in seiner Heimatstadt in Berührung kommt?
Es ist ein interessantes Gefühl. Vor allem gefällt es mir, dass ich mich im Rahmen meiner Arbeit mit Menschen von vor Ort konstruktiv auf fachlicher Ebene austausche. Diese Personen kannte ich bis dahin nur aus dem Wahlkampf und somit eigentlich lediglich aus der Zeitung.
Als Rintelner kennen Sie vor allem das Plangebiet in Schaumburger Land wie ihre Westentasche. Wie hilfreich ist das im Laufe des Verfahrens?
Das ist sehr hilfreich. Insbesondere bei Vor-Ort-Terminen mit Planern aus unserem Team. Denn ich kenne die Aussichtspunkte wie die Schaumburg, den Klippenturm oder auch die Aussichtsplattformen in der Auenlandschaft in Hohenrode. So können sich die Planer einen besseren Überblick verschaffen.
Wie schwer ist es, in diesem Fall „professionell“ zu agieren und unter Umständen in vielen Jahren eine Bundestags-Entscheidung mit vorzubereiten, in der Rinteln tatsächlich von einem Trassen-Neubau betroffen sein könnte?
Diese Frage stelle ich mir schon. Als Privatmensch empfände ich es als schön, wenn alles so bliebe. Ich wohne ja in Hohenrode und genieße den Blick in die Landschaft. Aber ich sage auch ganz deutlich, dass ich damit professionell umgehe. Wir brauchen die Verkehrswende gegen den Klimawandel. Dafür müssen wir sehr viel mehr Verkehr auf die Schiene bekommen. Fernverkehr, Nahverkehr und auch den Güterverkehr. Über meine privaten Interessen geht das weit hinaus.
Wie oft werden Sie im privaten Umfeld mit der Thematik Trasse durch Rinteln konfrontiert?
Gar nicht so oft, wie man glauben könnte. Tatsächlich passiert das meistens nach Presseberichten. ‚Ist das wirklich so?‘, werde ich dann oft gefragt. Das passiert auch schon mal bei der Runde mit dem Hund. In Hohenrode kennt man sich nun einmal. Ich empfinde das aber als eine sehr gute Gelegenheit, Informationen weiterzugeben.
Großprojekte rufen große Widerstände hervor. Wie geht man persönlich damit um? Macht man den Computer abends aus und schüttelt die Kritik einfach ab?
Wenn das so einfach funktionieren würde … Vor der Antwort möchte ich aber noch etwas vorausschicken. Der – wenn auch manchmal kritische – Austausch in den öffentlichen Runden bezieht sich immer auf die Sache. Es ging noch nie gegen Personen. Ich wünsche mir, dass diese Trennung weiterhin so gut funktioniert. Nach diesen Runden gehe ich oft mit meinem Hund durch die Auenlandschaft, lasse mir noch Luft um die Nase wehen, um den Kopf frei zu bekommen. Dabei sortiere ich in Ruhe noch einmal meine Gedanken. Das ist sozusagen meine Ausgleichsmaßnahme (lächelt).
Viele Menschen glauben, dass das Projekt Deutschlandtakt ja erst in mehr als zwei Jahrzehnten in Gänze umgesetzt sein wird. Wie groß ist der Zeitdruck?
Übergeordnet macht uns der Klimawandel schon ganz alleine den Zeitdruck. Jedem ist bewusst, dass wir die Verkehrswende schnellstens schaffen müssen. Außerdem stehen die Zeichen aus der Politik eindeutig auf Planungsbeschleunigung. Trotzdem gilt „Gründlichkeit vor Tempo“. Jeder einzelne Planungsschritt muss genauestens abgearbeitet werden. Gelingt uns das nicht, laufen wir Gefahr, an einem Punkt der Planung wegen eines Fehlers zwei Schritte zurückgeworfen zu werden, weil wir an einem früheren Punkt noch einmal neu ansetzen müssen.
Wie hinderlich war die Corona-Pandemie in Bezug auf die Arbeit in ihrem Team und auch für die frühzeitige öffentliche Beteiligung?
Als Team wären wir gerne häufiger zusammen. Das stärkt auch das Teamgefühl. Außerdem wären wir gerne noch viel mehr in den Regionen vor Ort. Abstimmungen mit Fachleuten vor Ort finden häufig schon wieder coronakonform statt. Grundsätzlich lebt das Projekt von den Anregungen und den Input von den Akteuren vor Ort, wie beispielsweise auch den Bürgerinitiativen. Von diesem Austausch zehren wir.
Und in den öffentlichen Videokonferenzen? Gingen darin Fakten verloren oder wurden falsch interpretiert?
In Bezug auf die öffentlichen Veranstaltungen ist das Fazit zwiespältig. Auf der einen Seite muss man feststellen, dass wir durch die digitalen Veranstaltungen deutlich mehr Menschen erreichen. In unsere Auftaktveranstaltung haben sich in der Spitze ungefähr 4000 Menschen zugeschaltet. Für diese Menge hätten wir schon die Bielefelder Seidensticker-Halle buchen müssen. In den regionalen Informationsveranstaltungen sind es oft 180 Personen. Bei diesen Formaten entfallen für die Interessierten Reisezeit und Ressourcen für die Anreise. Bei der Sender-Empfänger-Reaktion wären vielleicht Veranstaltungen in Präsenz gut.
Warum?
In der direkten Interaktionen erkennt man vielleicht besser, an welcher Stelle man tiefer in die Materie gehen sollte. Ich bin aber der Meinung, dass wir bei der Öffentlichkeitsbeteiligung einen guten Mittelweg gefunden haben. Denn Fakten gehen bei den digitalen Veranstaltungen nicht verloren, weil wir Informationen auch gerne nochmals weiterreichen oder man kann sie auf der Homepage nachlesen.
Was glauben Sie, wie hoch ist die Akzeptanz der Deutschen Bahn in der Bevölkerung?
Ich drehe den Spieß um und sage, steigen Sie einmal in einen der Züge nach Hannover. Die sind brechend voll. Die Fahrgäste, die wir durch Corona verloren haben, sind wieder da. Und deswegen brauchen wir den Deutschlandtakt, um mehr Kapazitäten für mehr und häufigere Verbindungen zu schaffen. Wie gesagt, auch im Nahverkehr, der durch den Deutschlandtakt profitieren wird. In den Veranstaltungen bekommen wir auch die Rückmeldung: Die Menschen stehen hinter der Bahn. Und die Akzeptanz wird steigen.
Könnte die Idee, des 9-Euro-Tickets die Akzeptanz der Bahn stärken?
Meine persönliche Meinung dazu lautet: Für neun Euro einen ganzen Monat Bahn fahren? Sensationell! Mich kostet die Autofahrt von Hohenrode nach Hameln und abends wieder zurück neun Euro pro Tag. Also ein klares Ja.
Blicken wir in die Glaskugel: Wie blicken wir als Gesellschaft im Jahr 2055, also zehn Jahre nach die Umsetzung des Deutschlandtaktes, auf den aktuellen Projektstand und die bisweilen massive Kritik zurück?
Wir wollen schneller sein. Grüne Mobilität geht nur mit der Schiene und so grün, wie die Bahn ist, wird auch 2045 kein anderer Verkehrsträger sein. Dazu möchte ich noch einmal betonen, dass wir das nicht als massive Kritik wahrnehmen, sondern als Hinweise in Sachthemen. Alle Bedenken können wir sicher nicht ausräumen. Und noch einmal: Wir wollen und müssen schneller fertig werden als 2045.
Das ist Cornelius Hildebrand
Nach dem Abitur 2002 studierte Cornelius Hildebrand Cornelius Hildebrand an der Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel ab 2005 Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Verkehrsmanagement. Zuvor durchlief er bis 2004 bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Reserveoffizier.
Nach dem Studium startete Hildebrand seine Laufbahn bei der DB Netz AG. Das war 2010. Zunächst war Hildebrand im Munster Referent für Instandhaltungsprogramme und wechselte 2014 innerhalb des Unternehmens nach Frankfurt a.M.. Dort arbeitet Hildebrand als Abschnittsmanager Netz und übernahm 2016 in Hannover die Leitung Arbeitsvorbereitung Netz. Seit 2020 steuert er der ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld.
Während Hildebrand bei seinen vorangegangenen Stationen er an kurzfristigen Projekten arbeitet, erfolgte der Wechsel in den Bereich der Großprojekte ganz bewusst. „Es macht mir Spaß, strategisch und gestalterisch tätig zu sein.“
Hildebrand gibt auch einen kleinen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Der liefe „eigentlich ganz normal.“ Hildebrand erklärt: „Morgens gibt es eine Teambesprechung, in der wir die Eckpfeiler und die Ziele für den Tag besprechen. Wir blicken auch zurück, ob wir die Ziele des Vortages erreicht haben. Insgesamt sind wir 15 Mitarbeiter im Team. Viele Kollegen arbeiten aus dem Home-Office aus. Was man früher zwischen Tür und Angel besprechen konnte, dafür braucht man gegenwärtig eine digitale Sitzung.“
Sein Aufgabenfeld beschreibt Hildebrand wie folgt: „Prinzipiell ist es so, dass ich als Projektsteuerer zwar auch eigene Fachthemen bearbeite, aber auch in jedem Fachthema zumindest in der Materie mit drin bin. Das ist extrem spannend. Da legt man die Scheuklappen automatisch ab und schaut links und rechts neben seinen eigenen Themen. Das hilft bei dem übergeordneten Blick, ob wir Planungszeiten, Planungskosten und die Termine einhalten oder ob wir gegensteuern – vielleicht Personal umschichten – müssen.“ ben