Bückeburg (bus).
Punktlandung für die Themenregisseure der Gesellschaft für
Wehr- und Sicherheitspolitik: Mit dem Vortrag "Wie begegnen wir der Atommacht Iran - Drohung oder Dialog?" hatten die Organisatoren ein an Hochaktualität kaum zu übertreffendes Thema gewählt. Und mit dem Referenten Dr. Karl-Heinz Kamp einen ausgewiesenen Fachmann. Der allerdings winkte im Hörsaal der Bückeburger Heeresfliegerwaffenschule gleich im Anschluss an die Begrüßung ab: "Es ist derzeit eine der undankbarsten Aufgaben, ein Referat über die Nuklearkrise im Iran zu halten." Zwar könne man sich der öffentlichen Aufmerksamkeit sicher sein, aber dennoch stünde man auf ziemlich verlorenem Posten, betonte der Sicherheitsexperte der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Drei Dinge, unterstrich der frühere Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, machten gegenwärtig einen Iran-Vortrag zu einer Art "Mission Impossible":
1. Ganz gleich was man sagt - es werden sofort Parallelen zur Irak-Krise gezogen. Da hätten, so heißt es häufig, die USA auch gelogen, Blair sei auch ein krummer Hund gewesen und man wolle nicht in die gleiche Falle tappen. Andere reden nur über mögliche Militärschläge gegen Iran und welch dramatischen Rückwirkungen das auf die ganz Region haben würde. Wieder andere sagen, es gehe nur ums Öl, oder um Terrorismus oder um beides.
2. Vieles von dem, was der Iran im Nuklearbereich macht und was uns große Sorgen bereitet, ist formal nicht illegal. Es ist also gar nicht immer klar, was dem Iran genau vorgeworfen wird und was rechtens ist und was nicht.
3. Das Hauptproblem: Es ist derzeit keineüberzeugende Lösung abzusehen, wie das Problem bewältigt werden kann. Es wird immer gesagt, man müsse verhandeln. Das ist im Prinzip immer richtig - was aber das Ziel von Verhandlungen sein kann, bleibt unklar. Das Publikum erwartet indes, dass ihm die Politik Lösungen für eine Krise anbietetund nicht, dass man ihm erklärt, eigentlich ohnmächtig zu sein.
Kamp beleuchtete die Thematik unter vier Gesichtspunkten: Worum geht es in der Nuklearkrise, was hat es mit den atomaren Fähigkeiten des Iran auf sich?; warum wird das von Europa und von den Amerikanern als Problem angesehen - wo liegen die Gefahren?; warum ist es so schwer, eine Lösung zu finden - warum sind Verhandlungen so schwierig? und wie geht es nun weiter?
Trotz aller Brillanz in der Analyse der Entwicklungen, Zusammenhänge und des Status quo vermochte der Referent, was angesichts der aktuellen internationalen Gemengelage nicht überrascht, die Frage nach dem "wie nun weiter" nur im Konjunktiv zu beantworten. Derzeit würden vier Möglichkeiten diskutiert, von denen keine wirklich überzeuge. Die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, könne an der fehlenden Zustimmung von China oder Russland scheitern. Gegen individuelle Sanktionen - Einreiseverbote für iranische Sportler, Benzinboykott (der Iran verfügt über große Erdölvorkommen, besitzt aber kaum Raffinerien) - sprächen gleich zwei Nachteile: Einerseits treffen sie meist die Bevölkerung und nicht das Regime und auf der anderen Seite könnte der Iran die Ölförderung kappen und damit den Westen vor dramatische Erhöhungen des Ölpreises stellen.
Die immer wieder genannte militärische Option nannte Kamp einen "extrem gefährlichen und risikoreichen Weg". Ein gezieltes Bombardement der Nuklearanlagen würde die Gefahr nicht völlig ausschließen, da ein Teil der Anlagen vermutlich noch gar nicht bekannt sei. Kamps vierte Variante war die am wenigsten Spekulative: "Irgendwann könnte man einsehen, dass man mit einem nuklearen Iran wird leben müssen." Was allerdings "wahrlich keine guten Aussichten für einen stabilen Mittleren Osten" mit sich bringen würde.
In der heutigen Situation machte der Experte den Zeitfaktor als einzigen positiven Aspekt aus. "Der Iran benötigt noch fünf bis zehn Jahre, bis er aus eigener Kraft Kernwaffenstatus gebaut hat." Die Bombe sei also nicht "gleich morgen da". Es verbleibe genügend Zeit, um nach Verhandlungsansätzen zu suchen oder mit einem Mix aus Zuckerbrot und Peitsche zu agieren. Was aber voraussetze, dass sich alle betroffenen Länder mit dem Problem befassten und die Blicke über den geographischen Tellerrand hinaus gerichtet würden. Kamps gleichermaßen bündiges wie ambivalentes Fazit: "Funktionieren muss das alles wahrlich nicht."