Bad Münder. Politik kann auch Spaß machen. Und Tobias Speckin hat Spaß. In der Parteikleidung, dem grauen Polyester-Zweiteiler mit Hemd (blau) und Krawatte (rot), sitzt er an seinem Schreibtisch und erklärt, was ihn ins Amt getrieben hat. Das Amt, das ist nicht irgendein Posten, es ist das des Landesvorsitzenden. Der Münderaner ist der Mann an der Spitze von Die PARTEI Niedersachsen.
Bad Münder. Politik kann auch Spaß machen. Und Tobias Speckin hat Spaß. In der Parteikleidung, dem grauen Polyester-Zweiteiler mit Hemd (blau) und Krawatte (rot), sitzt er an seinem Schreibtisch und erklärt, was ihn ins Amt getrieben hat. Das Amt, das ist nicht irgendein Posten, es ist das des Landesvorsitzenden. Der Münderaner ist der Mann an der Spitze von Die PARTEI Niedersachsen.
In Zeiten, in denen vom Bosporus bis an die Spree diskutiert wird, was Satire darf oder nicht darf und Außen-Staatssekretäre erklären müssen, was Presse- und Meinungsfreiheit bedeutet, wird Speckin und seinen Mitstreitern besondere Aufmerksamkeit zuteil. Seine Partei, Die PARTEI (die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) wurde 2004 von den Redakteuren des Satiremagazins „Titanic“ ins Leben gerufen, um die Regeln, Rituale und Charakteristika des Politikbetriebs durch den Kakao zu ziehen. Sogar im Europaparlament ist die Partei mit einem Sitz vertreten.
Seit vier Jahren ist auch der begeisterte Titanic-Leser Speckin Mitglied von Die PARTEI, seit fast einem Jahr steht er jetzt an der niedersächsischen Spitze. „Ich hab mir das beim Verband in Hannover mal angeschaut und festgestellt, dass die Richtung richtig ist. Man trifft sich mit Leuten, die die gleiche Meinung haben. Man trinkt Bier – auch gut. Aber irgendwie fehlte es an Schmackes und ich habe mir gesagt: Dann kannst Du es auch selber machen“, erklärt Speckin seinen rasanten Parteiaufstieg. Jetzt besucht er die aktiven Verbände im ganzen Land, unterstützt Ideen wie einen Landesparteitag am FKK-Stand bei Wilhelmshaven, mit dem für mehr Transparenz in der Politik geworben werden soll. In Braunschweig begleitet seine PARTEI die Eröffnung eines Textil-Discounters der Kette Primark. „Alle anderen haben Aktionen dagegen gestartet, aber wir haben gesagt: Wenn schon Kinderarbeit, dann lokal.“ Das Motto der Aktion? „Schwielen statt spielen. Klingt zunächst verwirrend, stößt aber etwas an. Man bringt die Leute dazu, darüber nachzudenken.“
Für eine Partei, die alles will, nur nicht ernst genommen werden, sind PARTEI-Vertreter inzwischen in zahlreichen Parlamenten vertreten. „Wo es Parteileute in Ämter und Würden schaffen, da machen sie auch vernünftige Arbeit. Meist in Zusammenarbeit mit den Piraten, damit die nicht total Schiffbruch erleiden.“
Erstmals will Speckin im Herbst für einen Sitz in einem heimischen Parlament kandidieren – gemeinsam mit einem Vertreter aus Hameln und einem PARTEI-Mitglied aus Emmerthal. Ihr Wahlprogramm unterscheidet sich in seiner Pointiertheit von denen etablierter Parteien: Das „Fahrverbot für Lipper“ bildet eine Kernforderung, gemeinsam mit dem Vorstoß, den Ohrberg bei Hameln abzutragen, um Platz für einen Großflughafen zu machen. Aber auch Nachhaltigkeit hat sich die PARTEI auf die Fahne geschrieben: „Grohnde soll Weltkulturerbe werden“ lautet eine Forderung – „schließlich haben wir ja noch lange etwas vom Kernkraftwerk, da kann man dann auch etwas Kulturelles draus machen.“
Die selbst verordnete Kleiderordnung der Partei vermittelt schon rein äußerlich den Eindruck von Seriosität, schafft aber immer dann Probleme, wenn das Sakko fehlt. Denn Hemd (blau) und Krawatte (rot), das ist eben auch die Farbkombination der AfD. „Eine komplett andere Richtung“, sagt Speckin – und das klingt dann so gar nicht nach satirischer Überspitzung.
Dass Satiriker Jan Böhmermann derzeit im Innen- wie außenpolitischen Fokus steht, beobachtet Speckin mit großer Aufmerksamkeit. Zeit für die Ehrenmitgliedschaft? „Wir sind da dran, schließlich hat er sich in der Vergangenheit schon durchaus parteiaffin gezeigt. Aber: Ihn aufnehmen bedeutet dann auch, ihn als TV-Star zu verlieren.“ Der Landesvorsitzende erinnert an Martin Sonneborn, der für Die PARTEI den Einzug ins Europaparlament geschafft hat, dann aber sein Engagement in der „heute-show“ des ZDF aufgeben musste. Den kommenden Kommunalwahlen sieht Speckin auf jeden Fall gelassen entgegen, auch, wenn er noch die notwendigen Unterstützungsunterschriften beibringen muss. „Wenn Böhmermann noch Mitglied wird, werden wir auf Anhieb zweitstärkste Kraft“, so seine Prognose. Sicher ist für ihn aber schon jetzt: „Jedes Ergebnis, das wir bekommen werden, wird unser bestes Nachkriegsergebnis sein. Und wenn Erdogan so weitermacht, auch wahrscheinlich unser bestes Vorkriegserlebnis.“