"Tja, wir Fans haben einiges mitmachen müssen", sagt Diederik van der Made. Der 63-Jährige, der seit fast einem Jahrzehnt in Rolfshagen lebt, hat nahezu sein ganzes Leben in Deutschland verbracht, fühlt sich aber im Fußball natürlich den Holländern verbunden. Und deren Fußballhistorie ist eine wechselvolle Geschichte mit Höhen und Tiefen. 1974 als Favorit ins Endspiel gegangen, hat das Team den Weltmeistertitel an Deutschland verloren (Van der Made: "Wir waren nach dem 1:0 viel zu überheblich, das hat die Deutschen aufgebaut"), 1978 stand sein Team ebenfalls im Endspiel und wurde gegen Argentinien ebenfalls nur Zweiter.
Danach begann ein tiefes Tal der Leiden für van der Made und die holländischen Fans. Die Nationalmannschaft versank im Mittelmaß, erst 1988 gelang die Rückkehr auf die internationale Bühne: Holland wurde Europameister - und das auch noch in Deutschland. Es ist bislang der einzige große Titel für die Oranje-Hemden.
Ihr Nationaltrauma haben die Holländer bei der EM 2004 dann endlich überwunden: Schweden wurde im Viertelfinale im Elfmeterschießen aus dem Turnier geschossen. Doch großen Hoffnungen gibt sich van der Made nicht hin. Sicher, die von Marco van Basten trainierte Mannschaft hat in den letzten Monaten eine spielerische Kurskorrektur vollzogen: weg von dem Offensivspektakel mit Fallrückzieher und Hackentricks, hin zum reinen Ergebnisfußball. Zwei Mal 1:0 gegen Ecuador und Kamerun, 2:1 gegen Mexiko (und ein nicht recht ins Bild passendes 1:1 gegen Australien) - drei überzeugende Spiele trotz des knappen Ausgangs. "Das ist die Handschrift von van Basten", meint van der Made. Und weiß auch, wo der Bondscoach dies gelernt hat: Beim AC Mailand, wo van Basten - dem schönen und offensiven Fußball immer zugeneigt - hat lernen müssen, dass sich eine Mannschaft an der eigenen Spielkultur berauschen kann und dennoch nach dem Abpfiff des öfteren recht überrascht feststellen muss, dass Spielverlauf und Ergebnis nun gar nicht miteinander harmonierten. "Aber die Fans, die wollen natürlich einen richtig guten Offensivfußball der Mannschaft sehen", weist van der Made auf das Dilemma hin: In Schönheit untergehen oder doch deutlich vorsichtiger spielen und dafür mal wieder einen Titel holen?
Und vielleicht, soüberlegt der 63-Jährige, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinem Vater, der Dolmetscher war, nach Deutschland kam und hier als Selbstständiger mit dem Verkauf von gebrauchten Produktionsanlagen sein Glück machte, vielleicht liegt hier auch der Schlüssel zur über 30-jährigen Rivalität zwischen der deutschen und holländischen Fußballnation: Die einen spielen den schönen Fußball, dafür holen die anderen dann mit ihrem zweckmäßigem Gekicke die Titel: "Vielleicht würden ja beide Fans gerne mal tauschen."
Und obwohl Holland in der Qualifikation mit 27: 3 Toren zu zehn Siegen und zwei Unentschieden stürmte, ist van der Made sehr, sehr vorsichtig: "Viertelfinale" lautet sein Tipp auf das Abschneiden seines Teams bei der WM. Und sollten sie wieder im Elfmeterschießen verlieren und rausfliegen, van der Made würde es mit Fassung tragen - der holländische Fußball-Fan ist Kummer gewohnt.