Rinteln (cok).
Sie diskutiertenüber die Vorträge von Politik- und Jura-Professoren, sie inszenierten mit Hilfe von Anwalt und Richter einen Strafprozess und sie stellten eine Situation aus dem Jugendstrafvollzug nach: 56 Oberstufenschüler aus Rinteln, Stadthagen, Bückeburg und Bad Nenndorf nahmen am Seminar "Staat und Recht"der "Schülerakademie Schaumburg" teil.
Für drei intensive Arbeitstage wurden sie vom normalen Unterricht freigestellt und auch die veranstaltenden Lehrer Michael Pavel und Reinhard Loock vom Rintelner Ernestinum und Dr. Joachim Heise vom Stadthäger Wilhelm-Busch-Gymnasium erschienen nicht an ihren Schulen, sondern leiteten das Seminar in den Räumen des VTR-Heimes, zusammen mit Pastor Hartmut Steinwachs vom Schulpfarramt Schaumburg.
"Wir haben besonders darauf geachtet, dass es für die Schüler eine gute Mischung gab aus Vorträgen und eigenen Aktivitäten, bei denen sie ihr Wissen einbringen können", so Michael Pavel. So stand zum Beispiel der zweite Seminartag ganz für die Vorbereitung einer simulierten Gerichtsverhandlung zur Verfügung.
Dabei ging es um einen bereits vorbestraften Hauptschüler, der einen Mitschüler niedergeschlagen und schwer verletzt hatte. Amtsrichter Rost und der Rintelner Strafverteidiger Dr. Norman Inoue sorgten für die korrekte Inszenierung.
Für die Jungs und Mädchen, die die Rollen von Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Zeugen übernahmen, war es eine besonders eindrucksvolle Erfahrung, dass sie nicht nach ihrem eigenen moralischen Wertgefühl urteilen durften, sondern sich im Ablauf der Verhandlung und auch bei der Urteilsfindung an feste Regeln halten mussten. "Ein Richter hat ja überhaupt keine Freiheit!" stellte ein Schüler in der Nachbesprechung fest.
Es war unbequem und mühsam, die Zeugen genau zu befragen, sich durch Lügen und Widersprüchlichkeiten durchzukämpfen.
Aber, so fasste es Pavel zusammen: "Differenzierung muss sein, um der Gerechtigkeit willen, auch wenn sie manchmal lästig ist und man lieber beim Stammtischdenken bliebe."
Ähnlich spannend war auch ein Rollenspiel am dritten Seminartag, nach einem Referat über Anti-Aggressionstraining im Jugendstrafvollzug: Ein ausgewählter Schüler nahm als jugendlicher Wiederholungstäter Platz auf dem so genannten "heißen Stuhl" und wurde vom "Psychologen" und den anderen Gruppenteilnehmer durch bedrängende Fragen, auch durch lautstarke Beleidigungen in die Enge getrieben, mit dem Ziel, das arrogante, verschlossene Ich des Täters aufzubrechen und ihm ein Schuldbewusstsein zu ermöglichen.
Dieses Rollenspiel führte zu einer intensiven Diskussion darüber, welche Mittel man bis zu welcher Grenze einsetzen darf, um ein gutes Ziel zu erreichen. Kann man einen Menschen ändern, indem man ihn erstmal zerbricht? Ist es denn aber schlimm, wenn ein Gewalttäter moralisch zu Boden geht?
"Ich fühlte mich wie ein kleiner Hund, auf den alle einprügeln, damit er das Stöckchen holt", sagte der Schüler über seine Rolle auf dem "heißen Stuhl".
Er hatte sich, anders die meisten echten Straftäter das können, sehr wortgewandt zur Wehr gesetzt, und trotzdem empfanden viele seine Mitschüler im Nachhinein das Psychospiel als bedrückend.
"Man darf nicht vergessen, dass es dabei eine Gruppe gibt, deren Mitglieder genau wissen, was in dem Täter vorgeht und ihn danach wieder aufbauen", gab Pastor Steinwachs noch zu bedenken.
Im März reisen alle Schüler für drei Tage nach Karlsruhe, um sich am Bundesverfassungsgericht umzusehen. Auch dieser Ausflug gehört zu dem Seminar "Staat und Recht", an dem übrigens nicht "hochbegabte" Jungen und Mädchen teilnahmen, sondern, wie es dem Grundanspruch der "Schülerakademie Schaumburg" entspricht, solche, die sich besonders für das Thema interessierten.