Obernkirchen (sig).
"Stadtkämmerer müssen Realisten sein, die Dinge beim Namen nennen, nein sagen können und den Wunschvorstellungen mancher Politiker und Bürger entgegentreten." So sieht Wolfgang Seele seine Aufgaben als Hüter und Bewahrer der städtischen Finanzen, die im Jahre 2006 alles andere als rosig sind.
Auf Hilfe von "oben" verlässt er sich nicht. Mit "oben" meint er das Land Niedersachsen, dem es inzwischen auch nicht besser geht als den Kommunen. "Der Bund greift dem Land in die Tasche, das Land den Kommunen, und wir stehen nackt und bloß da, denn wir können dem Bürger nicht zu viel zumuten", umreißt der Herr der Finanzen im Gespräch mit unserer Zeitung die finanzielle Situation der Bergstadt.
Seine Erwartungen an die Koalition in Berlin sind dabei auch nicht groß. Sein Pessimismus gründet allein schon auf der Tatsache, dass sich in dem 179 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag nur eine drittel Seite mit dem Hauptproblem der Kommunen befasst. Und diese Textstelle beginnt so: "Die Kommunalfinanzen müssen auch zukünftig auf einer soliden Basis stehen." Inder letzten Sitzung des Stadtrates wurde dieser Satz angesichts der bitteren Realitäten mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen.
Gar keine Hoffnungen macht sich der Stadtkämmerer, 2006 irgendwelche Bedarfszuweisungen vom Land zu erhalten. "Dafür geht es uns offenbar noch nicht schlecht genug", lautet sein betrübliches Resümee. In der Vergangenheit gab es schon mal Jahre mit Zuweisungen im siebenstelligen Bereich.
Seele: "Dass wir unter die Grenze von 10
000 Einwohnern gerutscht sind, macht die Dinge nicht einfacher; unseren Stellenplan haben wir auf diese neue Situation bereits zugeschnitten. Es gibt weniger Beförderungschancen für die Mitarbeiter."
Als eine der vorrangigen Aufgaben sieht der Kämmerer ein präzises Durchleuchten der Ausgaben an. "Wir müssen prüfen, wo wir in der Vergangenheit investiert haben, und dabei nicht aus den Augen verlieren, dass auch bei uns die Bevölkerung überaltert ist", ergänzt Seele. Das bedeute, nicht nur an Schulen und Kindergärten allein zu denken, sondern auch an das, womit man den Belangen der älteren Menschen gerecht wird. Ein Beispiel sei die Förderung des Sonnenbrinkbades, in dem jetzt Sole den Vorrang vor Chlor hat. Damit habe man schon einen richtigen Weg eingeschlagen.
Nicht minder wichtig sei das Ziel, die Innenstadt so belebt wie möglich zu erhalten. Das bedeute unter anderem, solche für die Versorgung der Einwohner wichtigen Unternehmen wie Aldi und den Marktkauf an den jetzigen Standorten zu erhalten.
Wolfgang Seele plädiert auch dafür, dass die Stadtverwaltung ihren derzeitigen Standort aufrechterhält. Dafür habe der Rat auch bereits die notwendige Weichenstellung vorgenommen, indem er die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen für das Rathaus genehmigte.
Der Stadtkämmerer würde es auch begrüßen, wenn die örtliche Polizeistation im Gebäude Lange Straße 1 einzieht, wo sich zurzeit die Stadtkasse und die Stadtjugendpflege befinden. Wenn der Landkreis seine Pläne zur Zentralisierung der Sozialhilfe realisiert, würden dort zusätzliche Räume frei.
Besonderen Wert legt Seele darauf, dass möglichst viele junge Familien in die Bergstadt kommen. Deshalb soll das Baulückenkataster aktualisiert werden. Durch die Herausnahme der früher geplanten Osttangente aus dem Regionalen Raumordnungsprogramm werden Grundstücke im Bereich Weheweg, Höheweg und Ziegeleiweg frei, die bebaut werden können.
"Wir werden zuüberlegen haben, ob wir uns von dieser oder jener Aufgabe verabschieden müssen; die Zeit der hundertprozentigen Versorgungsmentalität ist vorbei", stellt der Stadtkämmerer unumwunden fest. Die Bürger sollten und müssten künftig genau wissen, welche Kosten mit der einen oder anderen Leistung verbunden seien - und überlegen, ob der derzeitige Umfang überhaupt gerechtfertigt sei.
Vorantreiben möchte Seele die interkommunale Zusammenarbeit, die man im Maschinenbereich des Bauhofes mit den Nachbarorten Bückeburg, Rinteln, Hessisch Oldendorf und teilweise auch schon mit Auetal begonnen hat. Besonders eng ist sie mit der Stadt Hessisch Oldendorf. Ein gemeinsames Team kümmert sich alle vier Wochen um die Unterhaltung der Gemeindestraßen.
Der Stadtkämmerer "verschwendet" auch Gedanken an die Möglichkeit eines so genannten Gebäudepools. "Da könnten sich dann Fachleute um eine sinnvolle Bewirtschaftung der kommunalen Bauten kümmern; in Rinteln machen das zum Beispiel die Stadtwerke, die dann auch für die Energiesparmaßnahmen und die damit verbundenen Investitionen zuständig sind."