Rinteln (wm).
15 Wortmeldungen notierte die Rednerliste von Gerlinde Göldner-Dorka am Ende der außerordentlichen Ratssitzung am Donnerstagabend im Rathaus zu einem einzigen Thema: Windkraft.
So viele Zuhörer sieht man in einer Ratssitzung selten, wenn die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen Windkraft es auch versäumten, das kleine Mausohr oder einen Milan plakativ vorzustellen. Auch der Auftritt eines römischen Legionärs hätte unseren Fotografen höchst erfreut. Doch statt eines Römers kam nur Anwalt Eckhard David, tätig in diesem Streitfall für den Landkreis, der am Ende so wenig ausrichtete wie Varus gegen die Cherusker.
Asterix-Fans mögen sich in der Debatte am Donnerstag erinnert haben, wie ein "kleines gallisches Dorf" Widerstand leistet. Doch es ist kein Zaubertrank, den Rintelner Ratsherren gegen ein windkrafthöriges Verwaltungsgericht aufbieten können, dafür drei Juristen im Rat, die sich wieder einmal einig waren: DerVersuch, ins Berufungsverfahren zu kommen, lohne allemal, das Pro-Windkraft-Urteil des Verwaltungsgerichts müsse auszuhebeln sein, die Chancen seien nicht so schlecht, wie es Kreisanwalt David noch in der öffentlichen Sitzung ausmalte.
Das Gericht habe die Belange des Denkmalschutzes nicht ausreichend gewürdigt, heißt das Credo von CDU, WGS und den SPD-Abweichlern Dieter Horn, Eckhard Hülm, Heinrich Söffker und Jutta Meves. Und dann gebe es in der zweiten Verteidigungslinie ja noch den Milan und das kleine Mausohr.
Das alles werde das Verwaltungsgericht nicht beeindrucken, hielt die Minderheit der Rest-SPD dagegen, das Problem der Ausweisung eines Vorranggebietes bleibe ungelöst. Was alle hoffen, sprach keiner aus, nämlich, dass Rinteln grundsätzlich von der Windkraft verschont bleiben möge.
Die Rednerliste eröffnete CDU-Fraktionschef Thorsten Frühmark, der in die Waagschale warf, 5000 Euro Gerichtskosten müssten es der Stadt wert sein, das schöne Wesertal und damit den Tourismus zu retten. Dieter Horn (SDP) erinnerte daran, man könne kaum auf Milane und Fledermäuse setzen, wenn man gleichzeitig die Ellerburg "wo es von Vögeln nur so wimmelt" als Vorranggebiet für Windkraft ausweise: "Das ist eine Luftnummer." Wenn Widerstand, dann über den Denkmalschutz.
Spottete Anwalt Eckhard David: "Windkraftanlagen, die sich in die Landschaft einpassen, gibt es nicht".
Gert Armin Neuhäuser (WGS) suchte und fand den Kardinalfehler in der Vergangenheit ("in den Ortsräten wurden mögliche Zonen nach dem St.-Florians-Prinzip zerredet") und machte schon mal einen Vorschlag, wie die beiden Windräder, sollten sie denn gebaut werden, heißen müssten: "Karl" und "Heinz" nämlich. Eine Patenschaft, die allerdings der Bürgermeister vehement ablehnte.
Neuhäuser sah Chancen vor allem in der Unwägbarkeit richterlichen Wirkens und warf der Verwaltung bei der Risikoabwägung Wankelmütigkeit vor: Bei einem Rechtsstreit um ein als Parkfläche missbrauchtes privates Grundstück habe es die Verwaltung auf eine Klage vor dem Landgericht ankommen lassen, obwohl die Chancen von vornherein "gleich Null" gewesen seien, diesen Prozess zu gewinnen. Das Ergebnis sei heute am Parkplatz Wallstraße zu besichtigen.
SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Wißmann suchte sein Heil im Grundsätzlichen: Es entspräche dem "Demokratieverständnis" der SPD-Fraktion, den Rat in dieser Sache abstimmen zu lassen, statt im zuständigen Verwaltungsausschuss die Sache abzubügeln. Gelächter bei Sasse wie Neuhäuser: Wißmann solle mal lieber einen Blick in dieGemeindeordnung werfen, wonach der Rat sogar die Frage "welche Farbe das Toilettenpapier haben soll" (Neuhäuser) an sich ziehen könnte.
Als Wißmann provokativ Sasse befragte, wo er denn bei der Demonstration gegen die Müllverbrennung in Veltheim gewesen sei, schnappte der WGS-Vorsitzende sichtbar nach Luft. Diesmal mit Recht: War es doch Sasses Antrag, der erst den Widerstand der Stadt gegen die Müllverbrennung in Gang gesetzt hat.
Auch Wißmanns Attacke gegen Neuhäuser, der - so Wißmann - noch in seiner Eigenschaft als SPD-Fraktionsvorsitzender dafür gesorgt habe, dass in Rinteln keine Vorranggebiete ausgewiesen worden seien und damit den Rat erst in die missliche Lage manövriert habe, lief ins Leere. Neuhäuser konterte kühl,zum damaligen Zeitpunkt sei die Entscheidung richtig gewesen, denn es habe weder das Energieeinspeisegesetz gegeben ("die Lizenz zum Gelddrucken") noch Windräder in einer Höhe von fast hundert Metern. Unerwartete Assistenz erfuhr Neuhäuser hier auch von Anwalt David: Niemand habe erwartet, dass so schnell Anlagen entwickelt würden, die auch im eher windarmen Wesertal rentierlich laufen.
Dagmar König (CDU) verordnete dem Verwaltungsrichter eine Brille: Es gehe nicht um die Schaumburg allein, sondern "um das landschaftliche Gesamtensemble". Dass in Rinteln kein einziges Windrad gebaut werden wird, sei so unwahrscheinlich nicht, es gebe inzwischen Gemeinden, denen das gelungen sei. König: "Die Zukunft der Windkraft liegt an der Nordsee nicht an der Weser". Eckard David sah das anders: Es liege nun mal "an der blöden Systematik des Gesetzes" dass die Stadt nicht darauf verzichten werde können, eine Vorrangfläche für Windkraft auszuweisen. Und die von einem Gutachter ausgewiesene, weil geeignete Fläche für Windkraft in Rinteln sei nun einmal die bei Westendorf.
Fazit von Neuhäuser, der, wie bekannt, selbst Verwaltungsjurist ist: Hier Widerstand zu leisten, sei eine "Frage des politischen Rückgrats wie der persönlichen Risikoabschätzung." Und da sei alles offen. Er höre jeden Tag von Kollegen, sie hätten Prozesse gewonnen, die sie als hoffnungslos verloren betrachtet haben wie umgekehrt.
Was auch der Volksmund weiß: Auf hoher See und vor Gericht sind alle in Gottes Hand, oder anders ausgedrückt: Gerichte sind für Urteile zuständig, nicht für die Gerechtigkeit.
Für Rechtsanwalt David hatte die Debatte noch einen ganz anderen Aspekt: Es sei ein "Nachteil der Demokratie", solche diffizile juristischen Fragen "im öffentlichen Raum" diskutieren zu müssen. Woraus der unbefangene Zuhörer wohl schlussfolgern darf: Juristen kungeln lieber unter sich und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.