Landkreis (jan/rc).
"Gesund erhalten statt Mangel verwalten" - so haben die am Protesttag derÄrzte in Berlin teilnehmenden Schaumburger Ärzte aus Praxis und Klinik ihr Engagement überschrieben. Ihr erklärtes Ziel: "Ärzte aller Fachrichtungen für die Patientenversorgung - gegen Bürokratie".
In einer gemeinsam verfassten Pressemitteilung heißt es: "In den letzten Jahren kam es zu einer zunehmenden Bürokratisierung im Gesundheitswesen, die zum einen die hochqualifizierte Arbeitskraft eines jeden Arztes in Praxis und Klinik verschwendet und zum anderen ungeheuere finanzielle Mittel aus der direkten Patientenversorgung abzieht." Wie Dr. Andreas Schulz und Dr. Ute Richter aus der gleichnamigen Bückeburger Gemeinschaftspraxis gegenüber unserer Zeitung schilderten, verbringen sie nur noch etwa 50 Prozent ihrer Arbeitszeit beim Patienten. "Der Rest ist Bürokratie und Erledigung von Schreibarbeiten. Das Verhältnis habe sich in denvergangenen 15 Jahren immer mehr zuungunsten des Patienten verschoben.
Hinzu komme, dass sich zeitaufwändige Arbeiten wie etwa Hausbesuche kaum noch lohnten. Für chronisch kranke Patienten erhielten sie pro Quartal nur noch 48 Euro. "Schon lange nicht mehr kostendeckend". Um Kosten zu sparen, würden sie mittlerweile Hausbesuche in der näheren Umgebung mit dem Rad erledigen. "Unsere Kollegen lächeln darüber, aber es hilft Kosten sparen."
Ein weiteres Zahlenbeispiel der beiden Doktoren: Pro Punkt sei ihnen von den Krankenkassen eine Summe von 5,11 Cent avisiert worden, in der Realität seien letztendlich 2,8 bis 3 Cent herausgekommen. "Wir haben uns gravierend verschlechtert. Noch haben die beiden Ärzte ihren Personalstand gehalten, wenn auch bei reduzierter Stundenzahl. "Wir mussten reagieren. Wir wollen die Missstände nicht weiter kaschieren."
Reagiert hat auch ihr Arztkollege Ulrich Mohr auf die stetig sinkenden Einnahmen und den Anstieg der Bürokratisierung. Auszubildende stellt er nicht mehr ein, die Anschaffung eines teuren Sonographie-Gerätes hat er zunächst verschoben. "Ich schiebe einen Investitionsstau vor mir her."
Die zunehmende Bürokratisierung belastet nach Ansicht Mohrs die Arzt-Patienten-Beziehung. Er könne nicht mehr individuell auf das Krankheitsbild eines chronisch Kranken eingehen, sondern sei gefordert, sich an Fragenkataloge der Krankenkasse zu halten, die mit den so genannten Desease-Management-Programmen die Situation und Versorgung dieser Patienten verbessern wollten. Auch unsinnige Nachfragen und Forderungen nach Nachbesserungen von Diagnosen würden seine Arbeitszeit zusätzlich belasten: "Oder verstehen sie, warum bei der Verordnung nach einem Rollstuhl für einen Halbseitengelähmten seitens der Krankenkasse noch eine detaillierte Diagnose erforderlich ist?"
Zum 1. April 2005 trat ein neues Abrechnungssystem für alle niedergelassenen Ärzte in Kraft, welches nach den Worten der Schaumburger Ärzte Dr. P. Kalbe, Dr. W. Lübke, U. Mohr, Dr. A. Schulz und Dr. W. Steuber, die die Pressemitteilung unterzeichnet haben, "eine kostendeckende Praxisführung unmöglich macht". So seien zum Beispiel ambulante Operationen in den jeweiligen Fachbereichen, Hausbesuche sowie andere fachärztliche Interventionen nicht mehr kostendeckend zu erbringen.
Folgende Punkte stehen für die Schaumburger Ärzte im Vordergrund:
"Die Politik muss offen festlegen, was noch bezahlt wird und hierfür die Verantwortung übernehmen.
DieÄrzte werden sich nicht mehr als Überbringer schlechter Nachrichten hinsichtlich erneuter Einschränkungen im Gesundheitswesen missbrauchen lassen.
Keine Rationierung durch die Hintertür: Ärzte dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie die Patienten ausreichend mit den notwendigen Medikamenten versorgen (so genannte "Bonus-Malus-Regelung"). Keine finanzielle Haftung der Ärzte für eine ausreichende Arzneimittelversorgung.
DieÄrzte als hochqualifizierte Fachleute behalten sich die ärztliche Behandlung der Patienten vor und weigern sich, durch Gesundheitsbürokraten bevormundet zu werden.
Die finanzielle Ausstattung derärztlichen Dienstleister in der ambulanten und klinischen Versorgung ist unzureichend.
Zunahme vonärztlichen Versorgungslücken insbesondere in ländlichen Bereichen durch Abwanderung, durch rückläufige Ausbildung in Kliniken, durch bevorstehende altersbedingte umfangreiche Praxisaufgabe und durch Insolvenzen.
Die zeitgerechte und wohnortnahe Versorgung der Patienten droht zu sterben
Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen für den ärztlichen Nachwuchs. Extreme Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung in den Krankenhäusern veranlassen die Ärzte, die Kliniken zu verlassen, um im Ausland zu arbeiten", heißt es abschließend.