Bückeburg (gp).
Egal, ob
die Sonne vom Himmel brennt oder ob es friert - die antiken Götterhelden auf der Bückeburger Schlossbrücke halten allen Unbilden des Wetters stand. Mehr noch: Seit ihrer Erschaffung vor fast 400 Jahren durch Adrian de Vries haben sie nichts von ihrer Schönheit und Strahlkraft eingebüßt. Nicht wenige zählen die beiden Skulpturen deshalb zu den glanzvollsten heimischen Kunstwerken überhaupt.
Da macht es auch (fast) nichts, dass es sich um "Plagiate" handelt. Die Originale wurden in den 30er Jahren vom Fürstenhaus an das Wilhelm von Bode-Museum in Berlin verkauft. Im Gegenzug musste das renommierte, auf der Museumsinsel gelegene und heute zur staatlichen Berliner Museumslandschaft gehörende Haus originalgetreue Kopien liefern.
Nicht ganz einig sind sich die Fachleute, wen und was der Künstler eigentlich darstellen wollte. Sicher ist nur, dass es um altgriechische und/oder altrömische Göttersagen geht. Bei der Gruppe in Blickrichtung aufs Schloss links (auf unserem Winterfoto rechts) scheint die Vorgeschichte klar: Aphrodite (bei den alten Römern "Venus") klammert sich an ihren Liebhaber Adonis und fleht den schönsten und stattlichsten Mann aller Zeiten an, nicht auf die Jagd zu gehen. Einer alten Prophezeiung zufolge werde er dabei umkommen. Bekanntlich nahm Adonis die leidenschaftlich vorgetragene Bitte seiner Götter-Freundin nicht ernst. Kurze Zeit später war er tot. Er war von einem wilden Eber angefallen und tödlich verletzt worden.
Nicht ganz so eindeutig verhält es sich mit der Deutung der Figurengruppe auf der anderen Brückenseite (auf dem Foto links). Einig ist man sich in Fachkreisen nur, dass de Vries einen "Raub" in Szene gesetzt hat. Einige glauben, dass er den "Raub der Sabinerinnen" darstellen wollte. Historischer Hintergrund: Weil es im alten Rom zu wenig Frauen gab, nahmen deren Einwohner ihren Nachbarn, den Sabinern, die heiratsfähigen Töchter weg.
Nach Auffassung der meisten Kunsthistoriker handelt es sich bei der Darstellung jedoch um den Raub der Proserpina. Proserpina war die wunderschöne Tochter des römischen Gottvaters Jupiter und seiner Geliebten, der Fruchtbarkeitsgöttin Ceres. Einer der größten Verehrer Proserpinas war Pluto, der Herr der Totenwelt. Da die Eltern des jungen Mädchens eine Heirat ablehnten, entführte Pluto die Angebetete in einer Nacht- und Nebelaktionin sein unterirdisches Schattenreich.
Der von Jupiter eiligst ausgesandte Götterbote Merkur versuchte vergeblich, die ruchlose Tat - durch Beinklammern - zu verhindern (übrigens: in der zuweilen in der Literatur auftauchenden altgriechischen Version der Story heißen die Beteiligten Persephone, Zeus, Demeter und Hermes).
An dieser Stelle schließt sich Kreis hin zu unserem Winterfoto: Der Proserpina-Raub hatte ein für uns alle folgenschweres Nachspiel: Da die ruchlose Tat nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, schlossen Himmelsgott Jupiter und Totenwelt-Beherrscher Pluto der Legende nach einen bis heute geltenden - und spürbaren - Kompromiss: Danach muss beziehungsweise darf Proserpina die eine Hälfte des Jahres in der kalten Unterwelt und die andere Hälfte auf der warmen Erde verbringen. Das Schlimme daran: Während der sechs Monate, in denen sie bei Pluto ausharren muss, lässt ihre Mutter Ceres aus Kummer nichts mehrblühen und wachsen. Und deshalb ist bei uns zurzeit Winter ...