Bückeburg.
Die Heeresflieger haben es erneut in den Jahresbericht des Bundesrechnungshofes geschafft. Bei der jährlichen Vorlage der "Bemerkungen" kritisierte der Rechnungshof: "Entgegen den Vorgaben des Generals der Heeresflieger haben Einsatzverbände des Heeres ihren Hubschrauberpiloten die Einsatzbefähigungsstufe ,uneingeschränkt einsatzfähig' (combat ready) zuerkannt, obwohl die dazu notwendigen Mindestflugstunden teilweise erheblich unterschritten wurden. Dies änderte sich auch nicht, als die Vorgaben erhöht und gleichzeitig verschärft wurden." Der Rat der Bundesrechnungsprüfer: Derartige Abweichungen könnten vermieden werden, wenn beim Heer - wie bereits bei der Luftwaffe - die Zuständigkeiten für die Weiterbildungsvorgaben und für deren Überwachung zusammengeführt würden.
Das Bundesverteidigungsministerium bestritt die Vorwürfe des Rechnungshofes nicht. Es begründete die erhebliche Unterschreitung der Mindestflugstundenzahl mit "einem vorübergehenden, aufgrund technischer Schwierigkeiten entstandenen Engpass" bei den verfügbaren Hubschraubern. Den fliegerischen Vorgesetzten der Piloten seidaher in Abstimmung mit dem General Heeresflieger die Möglichkeit eröffnet worden, die Einsatzbefähigung "combat ready" zu erteilen, auch wenn die Mindestflugstundenzahl erheblich unterschritten war. Schließlich könne der fliegerische Vorgesetzte die Einsatzfähigkeit seiner Soldaten umfassend bewerten und so von der pauschalen Vorgabe ohne Gefährdung der Einsatzbereitschaft abweichen.
Das Ministerium: "Wir sehen unsere Einschätzung durch den unfallfreien Betrieb der Hubschrauber im Prüfungszeitraum bestätigt." Es sei jedoch gesichert, dass jetzt wieder ausreichend Hubschrauber für die Aus- und Weiterbildung zur Verfügung stünden und die Vorgaben des Generals der Heeresflieger beachtet würden. Der General der Heeresflieger ist Brigadegeneral Richard Bolz, gleichzeitig Kommandeur der Heeresfliegerwaffenschule Bückeburg.
Der Rat der Rechnungsprüfer wird seitens des Verteidigungsministeriums abgelehnt. Die Aufteilung der Zuständigkeiten im Heer sei durch die Heeresstruktur begründet, die zwischen konzeptioneller Zuständigkeit und truppendienstlicher Führung unterscheide: Das Vorbild der Luftwaffe solle hier nicht aufgegriffen werden.
Wegen der nicht erreichten Mindestflugstundenzahl meint der Bundesrechnungshof, dass die Einsatzbefähigung der Piloten gefährdet sein könnte. Er empfahl daher, einerseits die Mindestzahl zu prüfen. Möglicherweise sei diese für die Praxis zu hoch und zu pauschal festgestellt. Auch sollte nach Einsatzart und Hubschraubermuster differenziert werden. Andererseits sollten auch beim Heer nach Vorbild der Luftwaffe die Zuständigkeiten für Aus- und Weiterbildung und deren Überwachung sowie die Kontrolle der formalen Zuerkennung der Einsatzbefähigungsstufen organisatorisch zusammengefasst werden.
Die Differenzierung nach Einsatzart und Hubschraubermuster wird seitens des Verteidigungsministeriums abgelehnt. Die Flugstunden-Vorgaben des Generals der Heeresflieger seien für alle Typen einheitlich als "unabdingbares Minimum" für den Erhalt der Einsatzbefähigung zu betrachten.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Prof. Dr. Dieter Engels, gibt sich mit den Auskünften des Verteidigungsministeriums jedenfalls nicht zufrieden. "Die Einlassungen überzeugten angesichts einer möglichen Gefährdung der Einsatzbefähigung der Piloten und der Lösungen der Luftwaffe nicht." Die Abstimmung über die Reduzierung der Flugstundenzahl, die angeblich mit dem General der Heeresflieger stattgefunden habe, sei seitens des Ministeriums nicht belegt worden.
Mindestvorgaben hätten überdies nur einen geringen Wert, wenn sie von fliegerischen Vorgesetzten schon bei technischen Problemen derart weit unterschritten werden könnten: "Als Beweis dafür, dass das beanstandete Verfahren hinnehmbar sei, kann sicherlich nicht der Hinweis auf den unfallfreien Betrieb dienen." Dies werde auch durch die Erklärung des Ministeriums bestätigt, dass die fliegerischen Verbände nach der Behebung der technischen Probleme wieder zu den Vorgaben des Generals der Heeresflieger zurückgekehrt seien. "Der Bundesrechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen."
Bereits 2003 und 2005 waren die Heeresflieger in das Visier des Bundesrechnungshofes geraten. 2003 wurde die Nutzungsverlängerung des Uralt-Hubschraubers Alouette II als viel zu teuer kritisiert. 2005 erklärten die Rechnungsprüfer das Ausbildungskonzept für gescheitert. Bei der Beschaffung des EC-135 als neuer Ausbildungshubschrauber seien Millionen versenkt worden. Flugsimulatoren könnten immer noch nicht genutzt werden und entsprächen im Übrigen nicht mehr dem Bedarf (wir berichteten).